: „Irgendwo hört der Spaß doch auf!“
■ Der senegalesische Bundesligaprofi Souleyman Sane nimmt Stellung zu Rassismus auf und neben den Bundesligawiesen und spart nicht mit Kritik am nach wie vor tatenlosen Deutschen Fußballbund
Rassismus ist in und um die deutschen Fußballstadien nach wie vor ein regelmäßiger „Gast“. Den Senegalesen Souleyman Sane haben Bananenwürfe und Schmähungen begleitet, seit er für deutsche Vereine sprintet und Tore kickt. Der 29jährige spielte zunächst in der zweiten Liga beim SC Freiburg, danach zwei Jahre beim 1. FC Nürnberg. Seit 1990 agiert er für die SG Wattenscheid 09. Zwölfmal ist der Stürmer im Dress der senegalesischen Nationalelf aufgelaufen. Sane hat bereits vor einiger Zeit auf seine Erfahrungen als Schwarzer auf und neben den deutschen Fußballwiesen aufmerksam gemacht.
taz: Samy Sane, Du hast Dich vor zwei Jahren zusammen mit Anthony Yeboah (Eintracht Frankfurt) und Anthony Baffoe (Fortuna Düsseldorf) mit einem Brief an die Öffentlichkeit gewandt und auf den stärker werdenden Rassismus im Sport hingewiesen. Was war damals der Hauptanlaß für Euren Brief?
Sane: Ich hatte zu dieser Zeit immer wieder Probleme bei meinen Einsätzen in deutschen Fußballstadien: Zurufe, Bananenwürfe und so weiter. Besonders schlimm war es in Karlsruhe und in Hamburg (beim HSV, Anm. der Red.) Dort habe ich die schlechtesten Erfahrungen gemacht.
Welche Möglichkeiten hast Du, oder was machst Du konkret, um Dich zu wehren?
Die beste Antwort, die ich diesen dummen Menschen geben kann, ist meine Leistung auf dem Spielfeld. Als ich damals nach Freiburg kam, hatte ich einen jugoslawischen Trainer. Der hat zu mir gesagt: „Junge , paß auf. Wir sind Ausländer. Du und ich. Wenn du akzeptiert werden willst, dann mußt Du da draußen mehr Leistung bringen und mehr Tore schießen, als irgendein Deutscher.“ Und das versuche ich auch heute noch in jedem Spiel. Die mich da beleidigen, sind in meinen Augen dumm. Es gibt in jeder Mannschaft wenigstens einen ausländischen Spieler. Wenn die Leute ein bißchen nachdenken würden, dann würden sie ja draufkommen, daß sie auch ihre eigene Mannschaft beschimpfen.
Hast Du auch Probleme mit Deinen Gegenspielern, oder wirst Du nur von den Zuschauern beschimpft?
Nein, nein. Ich werde auch von den Gegnern beschimpft, zum Beispiel von Paul Steiner. Der hat versucht, mich sowohl mit Schimpfwörtern als auch mit Fouls fertigzumachen. Er sagt, er wollte mich dadurch nicht ins Spiel kommen lassen. Das ist seine Art, so zu spielen. Aber ich sage, das ist Rassismus.
Könnte man von einer Rangliste der rassistischen Umtriebe in den deutschen Stadien sprechen?
Wenn ich auswärts spiele, bekomme ich immer Schwierigkeiten. Vor zwei Jahren war es noch nicht so schlimm wie heute. Manche Leute haben zwar etwas gerufen, aber das war nicht die große Masse. Jetzt ist das anders. Vor allem in Hamburg. Über Nürnberg kann ich persönlich nichts Negatives sagen. Ich bin dort sehr freundlich aufgenommen worden. Aber wenn andere farbige Spieler ins Stadion einlaufen, wie der Tony Baffoe, dann ist es dort nicht anders als sonstwo in Deutschland. Vielleicht hat ja alles mit der Wiedervereinigung zu tun.
Du bist, bevor Du nach Deutschland gekommen bist, in Frankreich der Lederkugel hinterhergejagt. Hattest Du dort die gleichen Probleme?
Ja, natürlich. Aber das beschränkte sich auf die Straße. Der Sport war nicht betroffen. Ich bin dort aufgewachsen, mit den Franzosen in die Schule gegangen, ich habe ja fast eine europäische Mentalität. Wenn ich nach Hause fliege, in den Senegal, dann sagen alle meine Mannschaftskameraden: „Oh, da kommt ja der schwarze Europäer.“ Klar, ich denke anders und leb anders als sie. In Frankreich spielen in fast jedem Verein mehrere Ausländer. Da hast du dann das Gefühl, da spielt nicht eine französische Mannschaft, sondern eine Weltauswahl. Für die Zuschauer ist es selbstverständlich. Deshalb hatte ich dort in den Stadien keine Probleme.
Der DFB ist ja Pate für die Kampagnen „Fair geht vor“ und „Keine Macht den Drogen“. Glaubst Du, es wäre nicht längst an der Zeit eine Aktion „Keine Macht dem Rassismus im Sport“ zu starten?
Das ist eine sehr gute Idee. Wenn jeder Verein und jeder Spieler bereit wäre, mitzumachen, wäre das super. Wir müssen aber auch den DFB mit einbeziehen. Bis jetzt machen die überhaupt nichts. Die sitzen in ihrem Büro in Frankfurt, hören zwar und lesen in der Zeitung über die Ausschreitungen, aber sie handeln nicht. Aber sie müssen auch etwas für ihre Reputation tun. Sie müssen sagen, daß sie die Nase voll haben und sollen endlich etwas unternehmen. Von der Spielerseite muß natürlich auch etwas kommen. Viele Spieler sagen zum Beispiel, daß sie keine Türken mögen. Wenn ich sie dann frage, warum, sagen sie zum Beispiel: „Ich habe mich mit Ali geprügelt, deshalb mag ich keine Türken.“ Aber es ist doch unmöglich, von einer Person auf ein ganzes Volk zu schließen. Wenn ich einen hasse, heißt das noch lange nicht, daß ich alle Deutschen hasse.
Verlassen wir den Sport. Rassismus spielt sich ja auch auf der Straße ab, vor allem was körperliche Gewalt angeht. Wirst Du in der Öffentlichkeit denn auch angegriffen, oder wirst Du in Ruhe gelassen, weil Du ein bekannter Fußballer bist?
Bis jetzt hatte ich in meinem Privatleben keine Probleme. Wie Du schon gesagt hast, bin ich ein bekannter Fußballer. Das ist sicher ein großer Vorteil.
Welche Gefühle kamen bei Dir auf, als Du zu Hause die Bilder aus Hoyerswerda gesehen hast?
Das machte mich traurig und traf mich mitten ins Herz. Wenn ich sehe, wie drei Skinheads ein achtjähriges Mädchen verbrannt haben! Diese jungen Leute haben gesagt, daß es nur ein Spaß war und sie betrunken waren. Aber irgendwo hört der Spaß doch auf. Ich war entsetzt. Ich kann auch nicht einen Molotowcocktail in ein türkisches Haus werfen und hinterher sagen: „Ach, das war doch nur Spaß.“ Das kann man doch nicht machen.
Ein immer wieder angeführter Grund für Rassismus ist die angebliche soziale Notlage, in der sich diese Menschen befinden. Du spielst bei einem Verein im Ruhrgebiet, in einer Gegend also, in der die Arbeitslosigkeit teilweise bei 20 Prozent und höher liegt. Da müßte doch der Ausländerhaß besonders stark ausgeprägt sein.
Ich fühle mich im Ruhrgebiet sehr wohl. Diese Leute, diese Radikalen, wie ich sage, sind arme Leute, die normalerweise nichts zu sagen haben. Es ist vielleicht normal, daß sie die Schuld bei anderen suchen, wenn sie nichts zu essen, trinken oder keine Arbeit haben. Zur Zeit ist es so, daß das Problem auf die Ausländer und Asylanten geschoben wird. Diese Leute fragen sich natürlich, warum die Arbeit und Wohnung bekommen, und sie nicht. Auf der einen Seite versteh ich das, auf der anderen nicht. Ich meine, die Politiker müssen beiden Seiten helfen. Ich weiß aber nicht, wie.
Euer Brief ist jetzt zwei Jahre alt. Habt Ihr inzwischen eine neue Aktion in Vorbereitung?
Ich stehe mit den meisten ausländischen Spielern in Kontakt. Wir wenden uns demnächst wieder an die Öffentlichkeit. Wahrscheinlich wieder in Form eines offenen Briefes. Interview: Markus Löser
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