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„UNO-Puffer“ in Kroatien?

■ Auseinandersetzung zwischen „Maximalisten“ und „Minimalisten“ im Weltsicherheitsrat/ Die Angst vor der „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“/ Einigung über Zeitplan/ Vance neue Mission

Berlin (taz) — Ante Markovic, immer noch amtierender, wenngleich machtloser Ministerpräsident Jugoslawiens, hat seinem Land einen vielleicht letzten, dafür aber guten Dienst erwiesen. Am Tag vor der Sitzung des Belgrader Rumpfparlaments, das wieder einmal seine endgültige Absetzung wegen „antijugoslawischer Aktivitäten“ beschließen soll, setzte Marcovic den UNO-Botschafter Darco Silovic in Bewegung. Dem derzeitigen Vorsitzenden des Weltsicherheitsrates, dem Rumänen Munteanu, wurde eine „formelle Bitte“ um die Entsendung von UNO- „Peace Keeping“-Truppen nach Jugoslawien überreicht. Die Stationierung der Friedenstruppen, heißt es in dem Dokument, „entspricht dem Wunsch aller Konfliktparteien“.

Mit dieser Initiative trägt Marcovic dazu bei, eine Entschließung des Weltsicherheitsrates zu Jugoslawien denjenigen Mitgliedern des Rates schmackhaft zu machen, die einen erneuten Präzendenzfall in Sachen „Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates“ fürchten. Obwohl kein UNO- Mitglied eine Intervention nach dem Irak-Vorbild vorgeschlagen hat, fürchten eine Reihe von Staaten, die mit ungelösten Nationalitätenkonflikten belastet sind, eine schleichende Internationalisierung ihrer Probleme. Dies trifft in erster Linie auf China als ständigem Mitglied des Sicherheitsrats zu. Schon der faktischen Treuhandschaft der UNO über Kambodscha hat China nur nach hinhaltendem Widerstand als „kleinerem Übel“ zugestimmt. Die Tibet- Frage ist hier der Angelpunkt der chinesischen Diplomatie. Aber auch eine Reihe von paktfreien „nichtständigen“ Mitgliedern des Sicherheitsrats unter Federführung Indiens und Rumäniens bremsen. Dieser Gruppe wäre es am liebsten gewesen, wenn statt einer Resolution des Sicherheitsrates nur eine Erklärung des Ratspräsidenten zustimmend zur Kenntnis genommen worden wäre. Indien und seine Verbündeten waren es auch, die den Vorschlag der EG- Ratsmitglieder Frankreich, Großbritannien und Belgien zu Fall brachten, ein selektives Ölembargo gegen Jugoslawien zu verhängen. Auch die Zustimmung der Sowjetunion als Hauptöllieferanten Serbiens wäre zweifelhaft gewesen. Den „Minimalisten“ im Sicherheitsrat steht die „maximalistische“ Gruppe der EG- Staaten im Sicherheitsrat gegenüber. Deren Position ist freilich ebenfalls nicht einheitlich.

Vor allem Großbritannien möchte den Einsatz der „Blauhelme“ an einen vorhergehenden effektiven Waffenstillstand koppeln und hat zudem erklärt, die UNO-Streitmacht nur logistisch, durch seine Flotte, unterstützen zu wollen. Der Stachel Nordirland schmerzt. Die Bedingung „vorhergehender Waffenstillstand“ wird zwar von allen Seiten einschließlich des Generalsekretärs als Voraussetzung gesehen, entsprechend dem Motto „If there is no peace to keep, there will be no peace- keeping“. Aber hinter vorgehaltener Hand verbreiten die Europäer, notfalls könne das letzte, 14. Waffenstillstandsabkommen auch als formeller Ausgangspunkt genommen werden. Hauptsache, die Entsendung der Friedensmission erfolge umgehend.

Am Mittwoch zeichnete sich folgender Aktionsplan ab: Der UNO- Sicherheitsrat verabschiedet eine vorläufige Entschließung, die die Tätigkeit des UNO-Beauftragten Cyrus Vance gutheißt und die Möglichkeit der Truppenentsendung festlegt. Vance reist am Wochenende nach Jugoslawien, um mit Milosevic, Tudjman und Kadijevic die Einzelheiten der Dislozierung abzusprechen. Danach wird der Sicherheitsrat in einer „zweiten Phase“ eine endgültige Resolution verabschieden. Die Einhaltung dieses Zeitplans setzt voraus, daß Vance den hauptsächlichen Streitpunkt, in welchen Zonen die UNO-Truppen zu stationieren seien, beilegt. Hier stehen sich weiterhin der serbische Standpunkt — Stationierung hinter der gegenwärtigen Frontlinie — und der kroatische — Stationierung an den Republikgrenzen — gegenüber. Die kroatische Seite hat hier allerdings Flexibilität bewiesen. Sie wäre vor allem in Ostslawonien mit einem „UNO-Puffer“ einverstanden, vorausgesetzt, die Blauhelme würden den gegenwärtigen Frontverlauf nicht im Ganzen in eine Demarkationslinie verwandeln. In militärischen Kreisen der UNO spricht man von einer „Tintenklecks-Operation“. Danach würden in sämtlichen umkämpften Gebieten, also in Slawonien, der Banija, der Krajina und der dalmatinischen Küste, kleinere Pufferzonen eingerichtet werden.

Sollte der Sicherheitsrat nach dem skizzierten Zeitplan vorgehen, so kämen Serbien und die Bundesarmee in Zugzwang. Osijek und eine der belagerten Adria-Städte müßten dann im Lauf der nächsten drei Wochen eingenommen werden. Die Truppenkonzentrationen der Bundesarmee und der Cetniks um Osijek folgen dieser Strategie der „vollendeten Tatsachen“. Christian Semler

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