: Fischgeblubber
■ Alptraum für Veterinäre: Wie impft man Elefanten?
Einfach einen Betäubungsschlag mit dem Hammer auf den glitschigen Kopf, oder forsch mit der Spritze in die Flosse? Nur wer schon einmal versucht hat, einen Fisch mit der bloßen Hand zu packen, kann die Probleme eines Tierarztes verstehen, der einen Karpfen operieren muß.
„Die Narkose von Tieren ist einer der größten Streßfaktoren in unserem Job“, weiß Wolfram Rietschel aus Erfahrung. Der Tierarzt im Stuttgarter Zoologisch-botanischen Garten Wilhelma gibt zu: Nicht nur, daß Tiere je nach Art beißen, keilen oder wegflutschen — auch die großen Unterschiede im Körperbau macht eine Tierbetäubung für Veterinäre oft zum Alptraum.
Wie impft man einen Elefanten gegen Tollwut? Wie läßt sich eine wildgewordene Affenbande vom Inzest abbringen? Was ist zu tun, wenn ein Eisbär sich vor Zahnschmerzen krümmt? Rietschel klärt den Laien auf: „Einem Elefanten darf ich keine Narkose verpassen, die ihn gleich umhaut. Der tonnenschwere Körper kann dann auf die Eingeweide drücken und großen Schaden anrichten. Außerdem: wie sollte ich den Dickhäuter wieder auf die Beine bekommen? Dazu müßte ich dann die Feuerwehr und einen Flaschenzug bemühen.“
Ähnlich verhält es sich bei den Giraffen. Sie haben ein äußerst empfindliches Kreislaufsystem, weil ihr Blut durchschnittlich bis zu sechs Meter hochgepumpt werden muß. Wenn sie nun längere Zeit in der Horizontalen liegen, können Gefäßschäden im Gehirn auftreten. Für Giraffen- Geburten hat die Wilhelma sich einen entsprechenden Gynäkologen-Stuhl zugelegt — ein Gatter mit hydraulisch beweglichen Wänden.
Wenn Tierärzte nicht mehr weiter wissen, konsultieren sie durchaus schon mal einen Kollegen aus der Humanmedizin. So kann es vorkommen, daß zwischen Patienten im Warteraum einer Sportklinik geduldig ein Orang-Utan-Mädchen mit gebrochenem Arm sitzt. Für einen Eisbären, der unter heftigen Zahnschmerzen litt, bestellte Rietschel den Zahnarzt allerdings lieber ins Gehege. Der weiße Riese wurde vorher mit einer Spritze betäubt, die durch ein Blasrohr abgeschossen wurde. „Zahnärzte sind teuer, da muß die Narkose gut sein“, spottet er.
Was geschieht nun mit Kunn, dem Karpfen, wenn er operiert werden muß? Fisch-Narkosen- Spezialist Dieter Jauch lüftet das Geheimnis: Zur Vorbereitung gehört, daß der Fisch bei der Betäubung nüchtern ist. Er darf also einen Tag vorher nicht mehr gefüttert werden. Das Narkotikum gelangt durch das Wasser, in dem der Fisch schwimmt, über die Kiemen in den Körper.
Wird der Fisch für den Eingriff aus dem Wasser genommen, muß er vorm Austrocknen bewahrt werden. Für Forellen können bereits sechs Minuten im Trockenen tödlich sein.
Karpfen Kunn ist da besser dran: Er überlebt mehrstündige Operationen wasserfrei. itz
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