Dritte Zähne für zahnlose Kommission

■ Der Bundestag berät über neue Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission/ Die Geheimdienste werden nicht an die kurze, sondern an die lange Leine gelegt/ Es bleiben Hintertürchen

Berlin (taz) — Die Geheimdienste der Bundesrepublik werden an die lange Leine gelegt. Im Bundestag wird heute eine Gesetzesänderung zur besseren Kontrolle der Nachrichtendienste in erster Lesung beraten. CDU, CSU, FDP und SPD haben einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die Befugnisse der achtköpfigen Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) erweitert werden sollen. Kern der geplanten Regelung ist, daß die deutschen Dienste (Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst) künftig verpflichtet werden, von sich aus über „alle Vorgänge von besonderer Bedeutung“ der Kontrollkommission zu berichten. Der 13 Jahre alte Gesetzestext soll um das kleine Wörtchen „alle“ ergänzt werden.

Hintergrund der beabsichtigten Änderung ist unter anderem die Drohung der Liberalen Burkhard Hirsch und Hermann Otto Solms, sich aus der PKK zurückzuziehen, wenn deren Befugnisse nicht erheblich erweitert werden. Aus Verbitterung über „die ungenügende Bereitschaft der Bundesregierung, dem Kontrollrecht der Parlamentarier Genüge zu tun“, hat bereits Anfang letzten Jahres der Sozialdemokrat Gerhard Jahn das Handtuch geworfen und die PKK verlassen. Nach dem aufgeflogenen Waffendeal zwischen dem Bundesnachrichtendienst und dem israelischen Geheimdienst Mossad, der ohne Wissen der zuständigen Minister von Mitarbeitern der Bundeswehr und des BND eingefädelt wurde, erklärte beispielsweise PKK- Mitglied Hirsch, „das Ende der Vorstellung“ sei nun endgültig erreicht.

Vor diesem Hintergrund verständigten sich die Regierungsfraktionen mit der SPD darauf, der PKK künftig das Recht einzuräumen, „Akteneinsicht [zu] verlangen sowie von ihr bestimmte Personen an[zu]hören“. Im Gegensatz zur gängigen Praxis kann die PKK damit Mitglieder der Geheimdienste vorladen und Einblick in die Geheimdienstunterlagen nehmen. Angehörige der Dienste sollen sich künftig auch direkt und „ohne Einhaltung des Dienstweges“ an die PKK wenden können, ohne daß ihnen daraus berufliche Nachteile entstehen dürfen.

Wo die Beratungen der PKK bisher stets hinter verschlossenen Türen stattfanden, soll künftig der Schleier des Geheimnisses ein wenig gelüftet werden: Wenn zwei Drittel der PKK- Mitglieder zustimmen, darf das Gremium die Bewertung eines Geheimvorganges öffentlich vornehmen. Die Kommission soll weiter ermächtigt werden, auch die Wirtschaftspläne der Geheimdienste mit zu beraten. Die Bundesregierung wird verpflichtet, über den Vollzug des Haushaltes Bericht zu erstatten.

Kritiker der Vorlage befürchten aber, daß mit dem neuen Gesetz eine effektivere Kontrolle der Geheimdienste keineswegs gesichert wird. Insbesondere beanstanden sie die Regelungen, nach denen die Regierung eine Unterrichtung über Geheimdienstinterna verweigern kann, wenn „dies aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangs notwendig ist“. Zwar muß der zuständige Minister die Weigerung begründen — so schwammig, wie der Text gefaßt ist, darf die Regierung aber immer dann schweigen, wenn sie selbst oder ein befreundeter Nachrichtendienst behaupten, mit dem Bekanntwerden eines Vorgang würden Informationskanäle gefährdet.

Der Kern der angestrebten Verbesserungen wird in dem vorgelegten Entwurf zudem nicht einmal gesetzlich verankert. Das Recht auf Akteneinsicht und der kurze Draht zu den Geheimdienstmitarbeitern soll lediglich in einer Erklärung festgeschrieben werden, die von der Bundesregierung zu Beginn einer Legislaturperiode jeweils vor dem Bundestag erneuert werden soll. Ändern sich die Mehrheitsverhältnisse, können die Rechte der PKK umstandslos zurückgenommen werden. Die geplante Akteneinsicht und das Befragungsrecht der PKK waren auf seiten der Bundesregierung ohnehin auf wenig Gegenliebe gestoßen. Dem zuständigen Kanzleramtsminister Stavenhagen (CDU), wegen seiner Unkenntnis über die Vorgänge im BND im Kreuzfeuer der Kritik, ging die von den PKKlern geforderte Transparenz zu weit: Um den Zorn der Geheimdienst-Kontrolleure zu besänftigen, präsentierte er den Kommissionsmitgliedern Ende Oktober als Formulierungshilfe verpackte „Gegenvorschläge“ — ein Recht auf Anhörung und Akteneinsicht war nicht dabei.

Einen weiteren Pferdefuß haben die Autoren der Vorlage auch an der Stelle eingebaut, wo den Mitarbeitern der Dienste das Recht eingeräumt wird, sich selber an das Kontrollgremium wenden zu können. Analog zur Unterrichtungspflicht kann die Bundesregierung auch hier eingreifen — „wenn dies aus zwingenden Sicherheitsgründen notwendig ist“. Wolfgang Gast