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„Kleine Mädchen müssen schreien“

■ Vater und Tochter stellen ihre Lieblingsbücher vor

Trotz Sendung mit der Maus und Sesamstraße, sie will, daß ich vorlese: meine viereinhalbjährige Tochter Sarah. Und sie sucht sich selbst aus, was ich vorzutragen habe..., nach welchen Kriterien sie das tut, ist mir bis heute unklar geblieben.

Buch Numero eins aus ihrer Kiste scheint so etwas wie eine Jugendbiographie von Prinzessin Gloria von Thurn und Taxis zu sein. Doch das scheint eben nur so. Sein richtiger Titel ist Prinzessin Pfiffigunde, Babette Cole hat es geschrieben. Das Faszinierende an diesem Buch ist, daß dieses Mädchen, die Prinzessin, eine Vorliebe für derbe Motorräder, richtig „heiße Öfen“, aber auch für kleine Drachen und anderes Zeug hat, vor dem Pädagogen so gerne warnen, weil man nachts — angeblich — schlecht davon träumen könnte. Nichts davon ist wahr. Das Buch macht Spaß. Erst recht dann, wenn man an ihm das Thema „Freundschaft“ diskutiert. Das klappt hervorragend, denn die Prinzessin Pfiffigunde ist auf der Suche nach Freunden und Männern. Und wer da alles auftaucht, welch merkwürdige Namen all die Prinzen zieren: „Prahlschnalle“, „Plattpaddel“, „von Bückling“ und Prinz „von Drückeberg“. Sie ahnen es schon: Solche Namen sind Programm. Nur gut, daß die Prinzessin, angesichts der Anträge und Werbungen dieser Herren „pfiffig“ bleibt.

Auch Adeli-Sofi ist nicht von Pappe. Sie ist ein kleines, blondes Mädchen, das — wenn Gefahr droht — einen so bösen Blick bekommen und so böse schreien kann, daß ihr Widerpart (der böse Mann/die böse Frau) sofort die Flucht ergreift. Autor Björn Graf von Rosen hat in dieser Hinsicht ganz machtvolle Phantasien. Was bei Adeli-Sofi vor sich geht, hat Tochter Sarah wie folgt kommentiert: „Kleine Mädchen müssen schreien, wenn irgend etwas irgendwie ungeheuerlich wird!“ Bei diesem Buch, so erzählt sie ihren Freundinnen, da hat sie schreien gelernt: Am Strand taucht ein Wassermann auf, einer mit einer doch sehr, sehr großen und komischen Nase, und verführt die kleine Adeli-Sofi, mit ihm unter Wasser zu kommen. Dort will er sie dann auch noch betrunken machen, will sie mit seinem lockenden Harfespiel veranlassen, Dinge zu tun, die Sofie nicht tun will: Also stößt sie unter Wasser ihren Superschrei aus. Der Wassermann erschrickt, bekommt Angst und bringt sie wieder an den Strand... Björn Graf von Rosens Buch hat inzwischen — nach einigen Querelen mit dem „Schweizerischen Frauenverein“ — als Geschichte gegen sexuellen Mißbrauch weite Verbreitung gefunden.

Was Sarah sonst noch gefällt: der Maximilian und seine Reise ans Ende der Welt von Hans-Peter Schreier und Catherine Louis — die Geschichte eines Käfers, der vom Licht im Badezimmer angezogen wird, gegen den Spiegel stößt („Aha, es gibt mich doppelt“) und auf einer Zahnbürste notlandet. So ein Erlebnis muß der Käfer Maximilian seinen Enkeln erzählen, als Warnung vor dem grellen Licht. Eine einfache Geschichte. Eine fröhliche dazu.

Soweit die „Renner“ aus Sarahs Kinderzimmer. Ich muß diese Bücher manchmal regelrecht verstekken, damit ich sie nicht immer vorlesen muß. Trotzdem, es ist zwecklos. Das Kind findet seine Standardwerke immer wieder. Joern Schlund

Babette Cole: Prinzessin Pfiffigunde. Carlsen-Verlag, Hamburg, 32 S., 19,80 DM.

Björn Graf von Rosen: Adeli-Sofi. Atlantis-Kinderbücherei/Pro-Juventute-Verlag, Zürich, 36 S., 27,80 DM.

Hans-Peter Schreier, Catherine Louis: Maximilian und seine Reise ans Ende der Welt. Atlantis-Kinderbücherei, Pro-Juventute-Verlag, Zürich, 32 S., 22,80 DM.

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