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Regierungsmehrheit segnet Etatpaket ab

■ Zum Abschluß der Haushaltsdebatte kritisiert die Opposition vor allem die horrende Neuverschuldung und Möllemanns Subventionspleite/ Die Sozialdemokraten halten Waigel für überfordert

Bonn (ap/dpa/taz) — Nach einem letzten Schlagabtausch über Schulden und Steuern hat der Bundestag gestern den Haushalt 1992 verabschiedet. Zum Abschluß der viertägigen Debatte wurde das Etatpaket mit den Stimmen der Regierungskoalition abgesegnet; 207 Oppositionsabgeordnete stimmten dagegen. Die Bundesregierung kann damit im kommenden Jahr 422 Mrd. Mark ausgeben, davon allein 91,3 Mrd. für Arbeit und Soziales, 55,1 Mrd. für den Schuldendienst und 52,1 Mrd. für den Verteidigungshaushalt.

Die ehemalige Arbeitsministerin Anke Fuchs (SPD) hatte die gestrige Lesung mit heftigen Attacken gegen die Bundesregierung und vor allem gegen Finanzminister Theo Waigel eröffnet. Sie hielt ihnen vor, keinerlei Konzept in der Arbeits- und Wohnungsmarktpolitik und im Verkehrsbereich zu haben. 3,8 Millionen Menschen seien ohne Arbeit, es gebe Zehntausende von Obdachlosen, und auf den Straßen herrsche Chaos. Fuchs verlangte eine Änderung des Treuhand-Auftrags; sonst seien die Arbeitslosen von der CDU/CSU und der FDP produziert.

Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Rudi Walther (SPD), betonte, bei ihren Sparbemühungen habe die Koalition nicht einmal ihre Minimalziele erreicht. Die flotten Ankündigungen von Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann zum Subventionsabbau hätten sich als „kurzlebige Seifenblasen einer medienwirksamen Schaumschlägerei“ entlarvt. Walther sagte zu Möllemanns früherer Rücktrittsdrohung, als Ehrenmann müsse der Minister jetzt eigentlich wissen, was er zu tun habe. Waigel sei „der fröhlichste und der größte Schuldenmacher, den man sich denken kann“. Seine Doppelfunktion als CSU-Chef und Minister überfordere ihn ganz offensichtlich.

Waigel antwortete am Ende der Debatte, die Doppelfunktion sei sowohl den Finanzen als auch seiner Partei gut bekommen. Entgegen den Vorwürfen der SPD werde in der Finanzpolitik nichts verschwiegen. Die Bundesregierung habe auch für kommende Risiken Vorsorge getroffen, soweit dies möglich sei. Waigel wie auch der CDU-Abgeordnete Hans Peter Schmitz erinnerten daran, daß bei der sozialliberalen Koalition 1981 die Neuverschuldung 38 Mrd. Mark betragen habe, das Bruttosozialprodukt aber nur halb so hoch gewesen sei wie heute. Die investiven Ausgaben des Haushalts 1992 lägen mit 65 Mrd. um 20 Mrd. Mark über der Kreditaufnahme. 1981 seien nur 30 Mrd. Mark für Investitionen bereitgestellt worden. Waigel an die Adresse der SPD: „Sie haben damals permanent mehr ausgegeben als sie einnehmen konnten.“

Der CSU-Chef hob hervor, die Regierung habe die Rahmenbedingungen für die längste Wachstumsphase seit dem Krieg geschaffen. Dies habe ihr die Chance gegeben, die Jahrhundertaufgabe der Vereinigung anzugehen. Die Opposition wolle nicht wahrhaben, daß seit 1990 eine Haushaltsentlastung um 62,3 Mrd. Mark erfolgt sei. Der Subventionsabbau könne nur in allmählichen Schritten kassenwirksam werden.

Der FDP-Haushaltsexperte Wolfgang Weng beschuldigte die SPD des Populismus nach dem Motto: „Helft den Ärmsten der Armen und nehmt dafür das Geld aus dem Verteidigungshaushalt.“ Werner Schulz vom Bündnis 90 sagte, die Bundesregierung habe keine Kraft zum Subventionsabbau. Sie sei den leichteren Weg der Steuer- und Abgabenerhöhungen sowie der Verschuldung gegangen. Sie habe die staatliche Einheit von oben vollzogen.

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