: ZWISCHEN DEN RILLEN
■ Femmage an die Löwen, nicht gegen den Strich gefönt
So geht es auch. So ging es schon oft. Wenn es in diesem monokulturell geprägten Land schon so gut wie keine Popmusik gibt, dann muß sie eben hierher übersetzt werden — mit eingebauter Chartchance. Ulla Meineckes neueste Langspielplatte will aus der Not sogar noch eine Tugend machen. Löwen, das sind nur Coverversionen, neun an der Zahl, alle aus dem anglo-amerikanischen Raum, von sehr eigenständigen Künstlern (und nur einer Künstlerin — Bette Midler).
Keine leichte Aufgabe: der Stärke der Originale, etwa Billy Joel oder Bruce Springsteen gerecht zu werden, und möglichst auch sich selbst — ohne dabei abzufallen. Coverversionen, die nicht nur nachgespielt, quasi simultangedolmetscht sind und womöglich noch besser als die Originale, die haben weltweit Seltenheitswert.
Meinecke, die ihre größten Erfolge unter den lila Tüchern der Friedensbewegung und des Vulgärfeminismus feierte („Die Tänzerin“), knüpft mit der jetzigen LP an „Fünfzig Tips, ihn zu verlassen“ an. Ein Paul-Simon-Song, den sie schon vor Jahren vorsichtig und dankenswerter Weise unalbern in deutsche Sprache und Musik übertrug. Erheblich weniger als fünfzig Gründe, nämlich eigentlich nur zwei, gab es für den hier schreibenden Anhänger des britischen E-Popmusikers Joe Jackson, sich Löwen zuzulegen. Was würde Ulla Meinecke aus seinen Klassikern „Is She really Going Out with Him?“ und „Slow Song“ machen? Sie spielt sie nach. Mit exzellenten MusikerInnen und schönen Arrangements zwar, aber sie fügt nichts wirklich Eigenes hinzu. Zuviel Respekt, vielzuviel der gebotenen Zurückhaltung. Ans Ende von „Slow Song“ hängt sie leider ein zuckersüßes Solo einer gestopft gespielten Trompete an, die zu sehr nach Miles-Davis-Verschnitt klingt, durchschnittlich. Ungewollt lächerlich und antiquiert kommt die Zeile „Geht die Süße wirklich aus mit ihm?“ daher. Beide Songs bleiben zu brav, Meinecke fängt mit ihrer Substanz nichts an, da covert sich der Meister im Konzert selbst besser. Heruntergespielte Hausmusik.
Ansonsten sind die Übersetzungen der Texte, die Meinecke allesamt selbst gemacht hat, weitestgehend genau und sie holpern auch nicht. Doch die große Schwäche der Meinecke ist ihre leicht nölige, wenig variable und wenig ausdrucksstarke Stimme. Eine Eignung eher für den Sprechgesang, die sie aber mit vielen deutschen Kollegen teilt (Grönemeyer, Lindenberg, Nena, Westernhagen). Sie will immer cool klingen — was fehlt, gerade auch bei dieser Femmage an ihre Löwen, sind Aggressivität oder Blues.
Nur zweimal geht Meineckes monotone Stimme sehr gut mit den Liedern zusammen. Bei der traurigen Springsteen-Ballade „One step up and two steps back“ („Ein Schritt vor und zwei zurück“) und bei „Midnight Man“ („Frau nach Mitternacht“). Zu nah am Original hingegen „Overkill“ von der australischen Band „Men At Work“; so sauber wie die Musik zu einem Fernsehkrimi klingt der Stones-Song „Time Waits for no One“.
Als Single-Auskopplung wurde der zehn Jahre alten Bette-Midler-Song „You're moving out today“ („Heute ziehst Du aus“) gewählt, eine richtige Entscheidung. Denn mit einem Gassenhauer, in dem eine Frau ihren Lover aus der Wohnung rauswirft, kann eigentlich nichts schiefgehen. Leider klingt hier weder Wut noch Boshaftigkeit durch. Aber immerhin ist diese Coverversion musikalisch — nicht vom Text her — besser als die, die die deutsche Schlagersängerin Lisa Salzer ohne jeden Skrupel schon mal im Jahre 1977 gemacht hat.
Wer seine Löwen ansingt, der muß sie auch mal gegen den Strich fönen. Oder es lassen.
Ulla Meinecke: Löwen. BMG Ariola
FEMMAGEANDIELÖWEN,NICHTGEGENDENSTRICHGEFÖNT
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