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Wer bleibt, wenn Trüpel kommt?

■ Ein eigenes Kultur-Ressort braucht Räume und Personen / Scherf und Hoffmann übergeben ihren Nachlaß

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Wo würde die neue Kultursenatorin ihre Räume wählen und einrichten, um Abordnungen von Freizi-NutzerInnen angemessen zu empfangen, um die Probleme ausländischer DiscogängerInnen anzuhören oder um begeisterte Offene Briefe oder Unterschriftensammlungen der protestierenden Kulturszene entgegenzunehmen?

Wenn, wenn die grüne Mitglieder-Versammlung (MV) am Samstag das Verhandlungs-Paket der Koalitions-DealerInnen akzeptiert oder gar gutheißt, dann ist das Licht knallgrün für die designierte grüne Senatorin für Kultur, Ausländerintegration und Ju

gendarbeit, Dr. Helga Trüpel, Herrin über ein kleines feines Ressort mit rund 60 MitarbeiterInnen. Ihre drei Abteilungen sitzen im DGB-Haus (Jugend), in der Knochenhauer-Straße (AusländerInnen) und in der Pieperstraße (Kunst). Eben dort wird wohl Trüpels künftiges Dienstzimmer eingerichtet werden, zwischen BILD-Redaktion, Obernstraße und Mac Donald's.

Apropos Dienst: Wird der Ex- Kultursenator und Monopolist Henning Scherf seine einsame Senats-Spitzenstellung verlieren — im Radfahren? Bislang war Scherf der einzige Senator, der auf Dienst-Wagen samt Dienstwagen-Fahrer schlankweg verzichtet hatte. Ob die beiden Neuen der Öko-Partei, Fücks und Trüpel, diesem Beispiel folgen, wird mit Spannung erwartet.

In der Pieperstraße sitzt Dieter Opper, den ungezählte BremerInnen bislang bei Denkmals-Enthüllungen, Ausstellungs-Eröffnungen, Lesungs-Einleitungen erleben durften, jetzt und künftig Abteilungsleiter Kunst: „Ich bin ja kein 'politischer Beamter'. Ich wurde ja wegen meiner Sachkenntnis aus Kiel nach Bremen geholt, ich muß schon silberne Löffel klauen, um entlassen zu werden.“ Opper, hat schon damals in der Kiel „drei Dezernenten kommen und gehen sehen“ und kennt seine neue Chefin längst aus der Deputation. Opper findet: „Kultur ist lebendig, Streitkultur muß sein, sicher ist da in der Kulturpolitik längst was fällig!“

Wie viele und welche Stellen Trüpel für die Bereiche Finanzen, Recht und Personalverwaltung loseisen kann, wird ihr Verhandlungsgeschick in den nächsten Wochen zeigen. Der legendäre und für seine so verschwiegenen wie wirkungsvoll vernetzten Verbindungen umstrittene SPD- Staatsrat Reinhard Hoffmann jedenfalls wird in Scherfs Ressort bleiben; als neuer Mann hinter Helga Trüpel ist — den Segen der Grünen MV vorausgesetzt — der Stuttgarter Landtags-Abgeordnete Dr. Gerd Schwandner (40) im Gespräch, derzeit kulturpolitischer Sprecher der Stuttgarter Grünen-Fraktion und versehen mit „einer Schwäche für Norddeutschland“ (Schwandner zur taz).

Bleibt die Übergabe des Scherfschen und Hoffmannschen Nachlasses an die Neue. Letzten Sonntag, verriet Pressesprecher Alfke, saß Scherf schon mal auf Trüpels Sofa, um erste Fragen durchzusprechen: „Ich sag Ihnen ganz fair alles, was Sie wissen wollen!“

Umstellen muß sich einer, der in der Kulturbehörde für Breitenarbeit und Kultur-Animation engagiert ist, Dr. Narciss Göbbel: „Meine neue Chefin Trüpel ist eine ehemalige Studentin von mir — da sieht man mal, wie gut die Ausbildung war!“ Damals an der Uni ging es um Kritische Theorie, heute um die kritische Finanzlage. Göbbel: „Ob man frischen Wind machen kann, hängt vom Geld ab! Schöne Konzepte gibt es auch in der Behörde reichlich. Der Gestaltungs-Spielraum ist aber sehr eng.“

Das sieht schon von Amts wegen der Noch-Kultur-Pressesprecher Alfke anders: „Gerade haben wir ihr die Millionen besorgt, und sie kann jetzt loslegen!“ Überhaupt, so Alfke, ist die Lage mindestens rosig: „Heyme kommt ans Theater, das Focke- Museum hat einen neuen Leiter, der wirklich gut ist, ins Übersee- Museum kommt die neue Leiterin — ein guter Start!“ Alfke hat im Oktober im „Kulturkalender“ für 1992, gestaltet von der Bremer Karikaturisten-Szene, unter dem Vorwort den Senatoren-Namen offengelassen: Es gibt auch in der Behörde weitsichtige MitarbeiterInnen! Susanne Paas

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