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Zählen zur Menschheit nur die Europäer?-betr.: World Media 3

betr.: World Media 3

In verschiedenen Ausgaben der taz habt Ihr „zu Weihnachten“ die nächste Ausgabe Eurer „Kooperations“- Zeitung „World Media 3“ angekündigt. Sie soll sich „zu Beginn des Kolumbus-Jahres mit dem Thema Entdeckungen“ befassen. In Eurer Eigenwerbung heißt es: „1492 waren es neue Kontinente, die es zu entdecken galt, 500 Jahre später hat der Forscherdrang der Menschheit viele Richtungen...“

Während sich Dutzende Initiativen darum bemühen, angesichts der von europäischen Regierungen (mit Geldern der EG) geplanten „Feiern“ zum 500.Jahrestag der europäischen Invasion in Amerika auf die damit verbundenen Folgen des Kolonialismus, Sklavenhandels und Völkermordes hinzuweisen und Widerstand dagegen zu organisieren, übernehmt Ihr nicht nur platt die offizielle Propagandaformel, daß es sich bei dem jahrhundertelangen Gemetzel um „Entdeckungen“ gehandelt habe, die es — nach Eurer Formulierung quasi zwangsläufig — zu machen „galt“. Die Gier der europäischen Banken, Handels- und Kirchenvertreter nach den billigen ArbeiterInnen, Rohstoffen und den zu bekehrenden Seelen in anderen Kontinenten wird bei Euch sogar zum „Forscherdrang der Menschheit“ in der „Dritten“ Welt — von den amerikanischen IndianerInnen über die Millionen verschleppten AfrikanerInnen bis zu den australischen UreinwohnerInnen — auf ihre „Entdeckung“, das heißt: Vernichtung? Oder zählt Ihr zur „Menschheit“ eben doch nur die Europäer?

Verwundern würde dies nicht. Schließlich wirken an Eurem Zeitungsprojekt, das sich in eitler und damit typisch europäischer Selbstgefälligkeit den Titel eines „Welt-Mediums“ verlieh, zwar „27 Zeitungen aus vier Kontinenten“ mit. Doch die erdrückende und damit den weltweit herrschenden Abhängigkeitsverhältnissen ziemlich genau entsprechende Mehrheit dieser Blätter stammt aus den industrialisierten Ländern der „Ersten“ und „Zweiten“ Welt. Entsprechend sind die Ergebnisse, wenn es um die „Dritte“ Welt geht.

Trotzdem erschreckt doch der Zynismus, mit dem Ihr uns jetzt auch noch die interessengebundenen Meinungen von „Nobelpreisträgern und anderen Top-Wissenschaftlern“ ankündigt — natürlich auch die wieder „aus aller Welt“. Viele der „Staatsmänner und Wissenschaftler“, die uns ihre „bahnbrechenden Forschungsergebnisse“ via taz/world media mitteilen sollen, gehören zur „Elite“ hier und anderswo, deren vordringlichste Funktion darin besteht, die über 500 Jahre etablierten weltweiten Herrschaftsverhältnisse zu organisieren und stabilisieren. (Preisfrage an die world-media-Redaktion: Wieviele der Wissenschaftler mit Nobelpreis stammen aus der „Dritten“ Welt?

Weit ist die taz heutzutage entfernt von dem internationalistischen Verständnis, das ihre Gründung vor Jahren notwendig erscheinen ließ, so weit wie der Weg von der herrschenden „Entdeckungs“-Ideologie bis zur Realität der europäischen Eroberungsfeldzüge für die Opfer. Karl Rössel, Köln

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