: Pirelli-Aktien stürzen nach dem Scheitern der Gespräche mit Conti ab
■ Mailänder Börse setzt Handel der Reifenaktien aus/ Conti nicht unglücklich über weiteren Alleingang
Mailand/Hannover (ap/taz) — Die Mailänder Börse hat gestern den Handel mit Aktien des italienischen Reifenherstellers Pirelli ausgesetzt, nachdem der Kurs des Papiers ins Bodenlose abzustürzen drohte. Pirelli hatte am Wochenende bekanntgegeben, daß die Übernahmegespräche mit dem Hannoveraner Konkurrenten Continental geplatzt seien; daraufhin wollten gestern viele Aktionäre die Aktien des fünftgrößten Reifenherstellers der Welt so schnell wie möglich loswerden, der Kurs stürzte von 1.710 Lire am Freitag auf 1.475 Lire. Leopoldo Pirelli hatte erklärt, das Scheitern der Verhandlungen werde die Firma umgerechnet rund 460 Millionen Mark kosten und 1991 zu einem Gesamtverlust von 880 Millionen Mark führen.
In Hannover bei Conti war man offensichtlich nicht unglücklich über das Scheitern der Gespräche. Vor der Presse sah Conti-Chef Hubertus von Grünberg „gute Chancen“, ohne Pirelli in Zukunft am Markt erfolgreich zu sein. Grünberg-Vorgänger Horst Urban war noch wegen seiner Weigerung, mit Pirelli zu verhandeln, zu Himmelfahrt vom Chefsessel geflogen. Conti, der viertgrößte Reifenhersteller der Welt, habe nicht das Ziel, das größte Unternehmen der Branche zu werden, sagte Grünberg, sondern das profitabelste. Deshalb soll vordringlich die US-Tochter General Tire saniert werden, die allein in diesem Jahr ein Minus von 100 Millionen Mark einfahren wird.
Conti-Aktien im beständigen Sinkflug
Bereits im November hatte es Spekulationen über Schwierigkeiten bei den Verhandlungen Pirelli-Conti gegeben. Nachdem die Übernahme von Conti durch Pirelli vom Tisch war, schien man sich auf eine Zusammenlegung des reinen Reifengeschäfts hinzubewegen. Damals vermuteten Branchenkenner finanzielle Schwierigkeiten bei Pirelli. Denn die Mailänder hatten vor sieben Monaten noch 300 Mark für die ab dann beständig sinkende Aktie hinblättern müssen; gestern sank das Papier im Gefolge der Pirelli-Aktie unter die 200-Mark-Grenze.
Über das Konzept der Zusammenarbeit mit Pirelli habe Einigkeit geherrscht, so Grünberg. Die schwierige Finanzlage bei Pirelli sei der Grund für das Ende der Gespräche gewesen.
Zusätzlich erschwert wird Pirellis Finanzlage jetzt durch das Scheitern der Conti-Übernahme. Denn in einem vertraulichen Abkommen hatte die Pirelli SpA sich verpflichtet, bis Ende des Jahres alle Kosten zu übernehmen, die seinen befreundeten Unternehmen aus dem Kauf der sinkenden Conti-Aktien entstehen, falls bis zum 30.November kein Verbund des Pirelli-Reifengeschäfts und den Conti-Werken zustande kam. Wegen der Stimmrechtsbeschränkung bei Conti auf fünf Prozent hatte zusammen mit der Mailänder Industriefinanzierungsbank Mediobanca eine Seilschaft befreundeter Unternehmen organisiert, die etwa 30 Prozent der Conti-Aktien hält. Conti- Chef Gründberg machte sich gestern um die Aktien in Pirelli-Besitz „keine Sorgen“ und wandte sich gegen Spekulationen, daß sie „in Richtung Japan abwandern“ könnten.
Metzeler GmbH wird verkauft
Leopoldo Pirelli, der öffentlich die Verantwortung für das Scheitern der Verhandlungen übernahm, muß nun den Konzern umbauen. Er strebt eine Kapitalerhöhug bis zu 690 Millionen Mark an. Auf je zwei alte Aktien soll eine neue ausgegeben werden; angesichts des Kurseinbruchs wohl bestenfalls zum Nennwert. Um die Schulden — geschätzte vier Milliarden Mark — abtragen zu können, will Pirelli zudem die Firmen aus der Abteilung „Diverse Aktivitäten“ verkaufen; darunter auch die Münchner Metzeler GmbH mit mehreren 1.000 Beschäftigten und den französischen Regenmantelhersteller K-way. Donata Riedel
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