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Debatte: Zitelmann contra Vinnais

■ betr.: "Ausländerfeinde aufdie Couch?", taz vom 29.11.91, "Das innere Ausland", taz vom 27.11.91

betr.: „Ausländerfeinde auf die Couch?“ (Zitelmann), taz vom 29.11.91, „Das innere Ausland“ (Thesen zur Sozialpsychologie der Fremdenfeindlichkeit), (Vinnais), taz vom 27.11.91

[...] Sind Ausländerfeinde etwa keine Menschen? — Sicher doch! Haben sie etwa keine Würde? — Natürlich haben sie! Nur: Hat Vinnai irgendwo das Gegenteil behauptet?

Zitelmann wirft Vinnai vor, er unterscheide Gut und Böse „fein säuberlich“ — und der aufmerksame Leser denkt: Auch unter Ausländern gibt es schlechte Menschen! Zitelmann spricht nebelhaft von einer „realen Grundlage“ der Ausländerfeindlichkeit. Bitte welche? — Wenn Rainer Zitelmann sozialpsychologische und ökonomische Erklärungen in Zweifel zieht (und gleichzeitig gegen die „intellektuelle Differenziertheit“ der „Linken“ polemisiert) — welche „reale Grundlage“ kann er denn da noch meinen? Natürlich sagt Zitelmann es nicht, aber es deutet sich an: die Ausländer selbst! Diese offensichtliche Vernebelung des Problems gleichzeitig mit der Forderung nach Dialogbereitschaft zu verbinden, ist — ohne Polemik — dummdreist!

Es geht hier nicht um die säuberliche Trennung von „Gut“ und „Böse“, sondern um etwas ganz einfaches: Alle Menschen (und ich betone hier auch noch einmal: alle Menschen) haben mit ihrer Geburt ein Anrecht auf Würde, auf Anerkennung, auf menschliche Behandlung — gleichgültig wie sich „gute“ und „schlechte“ Menschen auf die verschiedenen sozialen Gruppen verteilen! Vor diesem Hintergrund einen „Dialog“ mit den „Ausländerfeinden“ zu fordern, ist eine Ungeheuerlichkeit! — Überhaupt: Was für einen „Dialog“? Jürgen Habermas, der sich in die von Zitelmann so ironisierte Kritische Theorie einordnet, fordert, damit ohne Etikettenschwindel von einem Dialog gesprochen werden kann, vor allem eins: JedeR, aber auch absolut jedeR muß grundsätzlich zu diesem Dialog Zugang haben können! Diese Regel duldet keine Ausnahme! — Anderenfalls haben wir alle möglichen Formen des Sprechens vorliegen, aber eben keinen Dialog.

Wie soll ich also ernsthaft und ehrlich, wie Zitelmann es von den „Linken“ fordert, mit jemanden in einen Dialog eintreten, der diese Grundvoraussetzung nicht mit mir teilt? Mit jemandem, der die Existenzberechtigung des größten Teils der Menschheit leugnet, nur weil er ein Deutscher ist? Wer sich in diesem Zusammenhang als „deutsch“ klassifiziert, hat sich als Mensch disqualifiziert. Das hat überhaupt nichts mit „Gut“ und „Böse“ zu tun. Um es Zitelmann zum Trotz mit Adorno zu sagen: Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sein soll, begründen zu müssen, bedeutet, Auschwitz zu wiederholen (ich zitiere aus dem Gedächtnis)!

Natürlich muß mit solchen „Deutschen“ gesprochen werden; aber eben hauptsächlich therapeutisch! Und das nicht etwa, weil ich ihnen den ernsthaften Dialog verweigere, sondern weil sie selbst nicht bereit sind, seine Grundvoraussetzung zu erfüllen: Unbedingte und nicht relativierbare Anerkennung aller Menschen! Nicht irgendjemand steht auf der „richtigen“ Seite und irgendjemand auf der „falschen“, sondern jeder ist Mensch; das ist eine Sache der Moral und darf in keinem Dialog verhandelbar sein. Dr.Detlef Zöllner, Münster

Nicht nur, daß wir hinter jedem grimmig schauenden Deutschen inzwischen einen Ausländerhasser sehen, der nur darauf wartet, uns im Mondschein zu begegnen... Es sind auch wir „Nichtdeutsche“, die eine fruchtbare Diskussion über den Rassismus verhindern.

Uns gefällt es vielerorts Opfer zu sein. Als Opfer sind wir von der Pflicht der Verantwortung befreit. Uns kann man doch nichts vorwerfen. Wir sind doch die Diskriminierten. Wir müssen uns endlich lösen von dem in Selbstmitleid gehüllten Nischendasein, das uns in Ohnmacht wiegt und handlungsunfähig macht.

Ich möchte kein Objekt beruflicher Antirassisten sein, von denen es in der letzten Zeit immer mehr gibt. [...] Ein Arbeiten auf eine multikulturelle Gesellschaft hin, muß offene und ehrliche Aussprachen ermöglichen. Einen türkischen Vater, der seine Tochter unter Zwang verheiraten will, kann ich verstehen; ich kenne ja den kulturellen Hintergrund. Tolerieren muß ich dieses Verhalten jedoch keineswegs. Der „arme“ Ausländer ist keineswegs immer „arm“. Ich weiß auch, welchen Haß viele meiner Landsleute gegen dunkelhäutige Menschen hegen. Wenn ich mit „Fremden“ zusammenleben will, muß ich wissen und sagen, was ich will. So verlangt gemeinsames Leben hier nicht nur Verständnis, sondern auch den Mut, Konflikte auszuhalten.

Als Einwanderer wiederholen wir ständig bei jeder Diskussion, daß wir inzwischen ein fester Bestandteil dieser Gesellschaft sind. Wenn jedoch ein Türke Mitglied bei einer konservativen Partei wird, sind wir die ersten, die diesen als „Nestbeschmutzer“ bezeichnen, als müßten alle Türken links sein.

Fragen wir weiter: Weshalb sind die „Aus“länder immer noch, sei es in den Gewerkschaften, Parteien, Vereinen oder Initiativen fast ausschließlich mit ihrem Ausländer- Sein beschäftigt. Wir sind doch ein Teil dieser Gesellschaft. Dann bitte an die Arbeit.

[...] Die Zuordnung Täter-Opfer ist nicht so einfach, wie es viele gern haben wollen. Der Kampf um die Menschenrechte ist eine gute Grundlage für unser Ziel und unseren Umgang miteinander. [...] Mesut Keskin,

Berlin-Kreuzberg

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