: Proteste der Opposition
Als vor einem Monat in Madrid die erste Runde der Nahostkonferenz stattfand, demonstrierten in Ägypten täglich Zehntausende von Studenten unter der Parole „Nein zur Kapitulation“. Auch die Berufsvereinigungen der Ärzte und Ingenieure, der Lehrer und Rechtsanwälte schlossen sich dem Protest an. Wie sensibel das Thema „Friedensprozeß“ innerhalb Ägyptens ist, zeigt die offizielle Reaktion. Mindestens 200 Menschen — manche Oppositionskreise sprechen von mehr als 1.000 — wurden auf Grund der Notstandsverordnungen verhaftet. 77 sitzen nach Angaben der ägyptischen Menschenrechtsorganisation noch immer hinter Gittern — ohne Anklage, ohne Gerichtsurteil. Erst letzte Woche wurde der islamische Aktivist und Journalist Abdel Fatah Khayal unter dem Vorwand verhaftet, er schreibe ein Buch über die Madrider Konferenz.
Die treibende Kraft hinter den Protesten sind islamische Gruppen, allen voran die halblegale Moslembrüderschaft, die der PLO und den arabischen Regierungen den Ausverkauf Palästinas vorwirft. Für sie ist Palästina bis heute Teil der islamischen Nation, den die Juden den Moslemen gestohlen hätten. Die US-Regierung würde ja auch wohl kaum zulassen, daß amerikanische Juden einen der amerikanischen Bundesstaaten besetzen und zum unabhängigen jüdischen Staat erklären, schreibt Führungsmitglied Mustapha Maschuhr in einer Bilanz über Madrid.
Die Moslembrüder unterstellen der israelischen Führung, sie würde, unterstützt von den USA, bis heute an dem Plan vom Großisrael festhalten. Bestätigt sehen sie sich durch die Reden von Präsident Bush und Schamir, die die UN-Resolutionen242 und 338 mit keinem Wort erwähnten. Palästina ist nicht nur Juden und Christen heilig. In Jerusalem steht die Aqsa-Moschee, die dritte heilige Stätte des Islam, und von hier soll Mohammed gen Himmel gefahren sein.
„Palästina hat nicht nur eine arabische Dimension“, schreibt der unabhängige Islamist Fahmi Huweide in der Regierungszeitung 'Al-Ahram‘. „Vom arabischen Standpunkt mag es in erster Linie um Sicherheitsinteressen gehen. Im islamischen Denken kommt eine andere Dimension dazu. Es geht um das Heilige. Der Verlust Palästinas ist ein Angriff auf die Würde des Moslem.“
Pragmatischer als die Moslembrüder argumentiert die Arbeiterpartei, die mit den Moslembrüdern und der kleineren Liberalen Partei das „Islamische Bündnis“ bildet. Erst Mitte der 80er Jahre hat die Partei das „sozialistisch“ aus ihrem Namen gestrichen und sich dem Islam zugewandt. Auch hat sie anders als die Moslembrüder der PLO ihre Solidarität nicht aufgekündigt. Das entscheidende sei, daß die PLO an ihren Grundpositionen festhalte: ein palästinensischer Staat mit Jerusalem als Hauptstadt.
Die Parteizeitung warnt vor einer Spaltung des arabisch-islamischen Lagers in die Befürworter und Gegner von Friedensverhandlungen. Unabhängig von taktischen Differenzen käme es darauf an, daß Christen und Moslems gemeinsam die Intifada unterstützen, um so die Verhandlungsposition der PLO zu stärken. Aber auch die Arbeiterpartei glaubt nicht, daß die Verhandlungen zum Frieden führen werden.
Die Friedensverhandlungen sollen die Neuordnung des Nahen Ostens einleiten. Im Rahmen der neuen amerikanischen Globalstrategie solle Israel die regionale Führungsrolle übernehmen, schreibt 'Shaab‘-Chefredakteur Adel Hussein. Diejenigen, die meinen, Israel hätte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und nach dem Golfkrieg für die USA an strategischer Bedeutung eingebüßt, und die darauf hoffen, daß Washington nun bereit sei, Druck auf die Hardliner in Tel Aviv auszuüben, hält er für Illusionisten. Die USA würden weiterhin auf das strategische Bündnis mit Israel setzen. Denn ein neuer Feind drohe dem Westen im Nahen Osten: die islamische Renaissance in der arabischen Welt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen