Schusselig

■ Eine Studie belegt: Vergessen ist Männersache

Das Telefon klingelte. Hannes B., 45, hob den Hörer ab und meldete sich mit seinem Namen. Sogleich ergoß sich ein Redeschwall ohne Punkt und Komma. Die weibliche Stimme quasselte vom Skiurlaub in der Schweiz, über ihre Bronchitis und echauffierte sich über den Bürgerkrieg in Jugoslawien. B. fragte sich bang: „Wer spricht denn da?“ Erst nach fünf Minuten fiel bei ihm endlich der Groschen.

Über zwei Wochen büffelte die Gymnasiastin Jacqueline R., 19, binomische und andere mathematische Formeln. Am Tag der Mathearbeit stierte sie unentwegt und untätig aufs Aufgabenblatt: Alle Erinnerung an das Auswendiggelernte war erloschen.

Das Ritual wiederholt sich jedes Jahr. Frau M. bestellt — immer zum 25.Mai — einen Tisch für zwei Personen im China-Restaurant und nimmt sich deshalb an diesem Tag früher frei. Ihr Mann fällt jedesmal aus allen Wolken: Der Hochzeitstag will sich ihm nicht einprägen.

Wenn Männer den Hochzeitstag verschwitzen oder ein Rendezvous nach dem anderen verpassen, muß die Leidenschaft nicht erkaltet sein. Schuld an den peinlichen Blackouts ist vielmehr das männliche Gehirn, das sich in erster Linie an prestigeträchtige berufliche als an soziale Ereignisse erinnern will.

Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine Vergeßlichkeitsstudie, die der Psychologe Roland Arbinger vom Zentrum für empirische pädagogische Forschung der Landauer Universität zusammen mit Studenten erstellt hat. Aber auch bei Frauen gilt generell: Vergessen? Peinlich, aber nicht selten.

Bei der Untersuchung mußten über 600 Männer und Frauen im Alter zwischen 20 und 88 Jahren ihre eigene Vergeßlichkeit in 45 typischen Alltagssituationen bewerten. Fast alle gaben zu, daß sie in bestimmten Situationen ihr Gedächtnis verlasse. Die Forscher ermittelten auch eine Vergeßlichkeits-Hitliste und ihre Spitzenreiter. Zum Beispiel: ich höre einen Witz, über den ich mich totlache. Als ich ihn weitererzählen will, habe ich ihn bereits vergessen. Oder: für ein Telefongespräch habe ich die Nummer notiert. Um richtig wählen zu können, muß ich immer wieder auf den Zettel schauen.

Das passiert laut Studie Frauen häufiger als Männern. Männer hätten eine „signifikant höhere“ Vergeßlichkeit: Geht es um Verabredungen oder Geburtstage, versagt ihr Hirn. Namen, Zahlen oder Telefonnummern entfallen ihnen dagegen selten.

Arbinger ist der Überzeugung, im Menschenhirn gebe es eine Art Gedächtnisrangordnung: Männer bringen Informationen, die fürs Prestige wichtig sind, eine erhöhte Wachsamkeit entgegen, Frauen hingegen sozialen Informationen. Die Studie setzt dem Ganzen noch eins drauf: Wesentlich mehr Frauen als Männer haben ein schwaches Ortsgedächtnis und Schwierigkeiten bei räumlicher Orientierung. Thorsten Schmitz