: Briefwahl entschied gegen „Ampel“
■ Nach ermüdender Debatte gaben die Briefwahl-Stimmen der Grünen den Ausschlag
Gerold Janssen, Aktivist aus der Hollerland-Bürgerinitiative und rot-grüner Deichhauptmann, kam auf der grünen Mitgliederversammlung am Samstag kurz zu Wort: „Das Schlimmste ist für mich die Außenweservertiefung“, sagte er, das sei „wie ein kleines Atomkraftwerk“. Am Sonntag bereute Janssen: Gegen die Ampel-Koalition habe er nicht reden wollen.
Auf der Mitgliederversammlung hat Karoline Linnert am Samstag zweimal gegen die Regierungsbeteiligung geredet — die Bedingungen sind für sie derzeit in Bremen weder für Rot- Grün noch für die Ampel reif. Mit einer Mehrheit gegen die Ampel hatte sie nicht gerechnet. „Eine Scheißlage“, meinte sie am Sonntag, „unheimlich kleinkariert“ die Leute, die nur aus Unzufriedenheit über den Ressortzuschnitt gegen die Ampel gestimmt hatten, eine „unheilige Allianz“ der 97 Stimmen des Nein-Blocks.
Was bewegte diese Grünen- Versammlung, die Bremen am Wochenende wirklich „in Bewegung“ brachte?
In der Mitgliederversammlung in der Schule Lessing-Straße hatten prinzipielle Gegner und partielle KritikerInnen mit unterschiedlichen Motiven ihre Argumente vorgetragen (vgl. a. Seite 5) — pflichtbewußt verteidigten die BefürworterInnen die Ampel, eine Wiederholung bekannter Argumente. Auf dem Tisch der Versammlungsleitung vorn stand ein „Weizen-Korn“-Karton, auf dem mit Filzstift „Pro“ und auch „Männer“ geschrieben war, gesammelt wurden in ihm die Wortmeldungen „Pro“. Vom letzten Mal stand auf dem anderen Karten „Frauen“, gesammelt wurde in ihm die „Contra“-Stimmen. Wer Glück hatte wie Helga Trüppel, konnte reden, wer Pech hatte wie Ralf Fücks, kam nicht dran.
Ulla Schaarschmidt vom Landesvorstand erklärte, sie sei „unheimlich zerissen“, Uwe Helmke war entschieden: „Diese Ampel darf von uns nicht installiert werden“, die Grünen würden ihre Glaubwürdigkeit verspielen. Peter Willers will auf außerparlamentarischen Protest setzen, der durch eine große Koalition eher befördert würde, Peter Puppe verlangte eine „höhere Beweglichkeit der SPD“ als Voraussetzung für eine rein rot-grüne Koalition.
Die Befürworter der Ampel- Koalition verteidigten die Ergebnisse der Verhandlungen mit SPD und FDP und erklärten, daß es keine Alternative gebe. Sie setzten darauf, die Bedenken mit einer Abstimmung vom Tisch wischen zu können.
Entschieden hat nicht die Versammlung selbst, sondern die Briefwahl: 59 Stimmen waren schon schriftlich abgegeben, bevor die Versammlung begann. Während auf der Versammlung die Pro-Stimmen überwogen, hatten einige Mitglieder, die seit langem „keinen Bock“ mehr auf die grünen Versammlungen haben, im grünen ihr Kreuz gegen die Ampel gemacht. Wieviele, weiß keiner genau, weil die Briefwahl-Stimmen nicht extra ausgezählt wurden. K.W.
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