: Die virtuelle Bombe
Berlin (taz) — Wird Amerikas Nuklear-Arsenal der Zukunft aus „virtuellen Bomben“ bestehen, die nur als digitale Daten im Computer existieren? Der britische 'New Scientist‘ berichtet in seiner jüngsten Ausgabe (Nr. 1798), daß sich die US-Rüstungsindustrie nach den von Präsident George Bush verkündeten Kürzungen des Atomwaffenprogramms mit dieser Idee anzufreunden beginnt: Bomben-Technologie wird weiter erforscht und entwickelt, aber nur noch im Ernstfall von bereitstehenden Fabriken wirklich zusammengebaut.
Der Plan, den die Offiziellen der US- Nuklearwaffen-Industrie „Long Shadow“ nennen, wurde schon vor einigen Jahren entworfen. Richard Wagner, zuvor Nuklear-Forscher bei den „Lawrence Livermore National Laboratories“ in Kalifornien, entwickelte die Idee während seiner Arbeit für das US-amerikanische Verteidigungsministerium. Die Zukunft der Abschreckung, so Wagner, läge nicht in den tasächlichen, sondern den potentiell vorhandenen Nuklear-Waffen: „Wir sollten uns eine Atomwaffenfabrik vorstellen, die einen langen Schatten in die Zukunft wirft.“
Die Rüstungsindustrie wollte sich damit überhaupt nicht anfreunden. Doch seit George Bush im vergangenen September drastische Kürzungen des Atom-Programms verkündete, haben die Rüstungsschmieden „Long Shadow“ als rettenden Strohhalm aufgegriffen.
Unter dem langen Schatten der Bombe könnten sie weiterhin ständig neue Generationen atomarer Waffen entwickeln, aber die meisten von ihnen würden nie gebaut. Die Einzelteile stünden in verschiedenen Fabriken bereit, die jedoch im Normalfall pro Jahr nur wenige Test-Exemplare produzieren würden. Im Rahmen von „Long Shadow“ werden die Forscher, so Direktor Harry Saxton von der Nuklear-Schmiede „Sandia“ in Albuquerque (New Mexico), nicht mehr die „größten und raffiniertesten“ Bomben entwerfen, deren Bau sowieso unmöglich ist. Einfachheit sei angesagt, wie auch Wagner meint: Die Bombe der Zukunft, zitiert der 'New Scientist‘ den Nuklear-Strategen, „wird einfach zu bauen, zuverlässig und extrem sicher sein“.
Schon heute könnten Nuklear- Bomben entwickelt werden, deren Zuverlässigkeit für 50 Jahre ohne weitere Tests garantiert sei. Deshalb würden durch „Long Shadow“ die sehr teuren Nuklear-Tests reduziert. Zur Zeit, so Wagner, werden die meisten Tests durchgeführt, um zu überprüfen, ob die Bomben im Depot noch funktionierten. mbr.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen