PRESS-SCHLAG: 1. FC Torpedo Elbflorenz
■ Die christlich-demokratischen Stadtväter von Dresden wollten den Sozi-Namen „Dynamo“ eliminieren
Das ist einzig und allein Angelegenheit des Dresdner Vereins und der Dresdner Fußballfans“, raffte sich Trainer Helmut Schulte zu einem Dementi auf, „es stimmt nicht, daß ich etwas gegen den Vereinsnamen ,Dynamo‘ hätte.“ Schulte widerlegte nach dem ersten Sieg seit der A-Jugend gegen den Hamburger SV die Behauptung eines sächsischen Boulevard-Blättchens, daß er sich in die Diskussion um die Namensänderung des Dresdner Bundesliga-Clubs eingemischt hätte.
Der Anstoß zu diesem Spiel um den neuen Namen wurde im Rathaus der sächsischen Landeshauptstadt ausgeführt. Die christlich-demokratischen Stadtväter informierten den finanzfrustrierten 1. FC Dynamo Dresden, daß sich die Stadt an den Kosten für das Rudolf- Harbig-Stadion und den Unkosten für das Vereinsüberleben des Tabellenfünfzehnten nur beteiligen würde, wenn der mit sozialistischen Erinnerungen beschmuddelte Begriff „Dynamo“ endlich aus dem gereinigten Stadtbild verschwindet. „Dresdner SC“ wäre den Stadtbossen recht, signalisierte man ans Dynamo-Präsidium.
Ein „Dresdner SC“ hatte immerhin 1943 und 44 die nazideutsche Meisterschaft gewonnen, den späteren Bundestrainer Helmut Schön hervorgebracht und durch eine Kollektivflucht aus der DDR 1952 „revolutionäres Bewußtsein“ bewiesen. Nur hat dieser vor 39 Jahren aufgelöste Verein mit dem heutigen wenig zu tun. Der am 12. April 1953 im Filmtheater „Schauburg“ gegründete Verein hieß anders, spielte woanders und war was anderes. Bis heute.
Vom Vorschlag der anscheinend fußballahnungslosen Stadtväter war am meisten der „Dresdner SC“ selbst überrascht. Er wurde nämlich voriges Jahr reaktiviert und spielt seitdem in der 2.Bezirksklasse der Region. Der Name war also bereits vergeben. So sah das auflagenstärkste Revolverblatt Sachsens seine historische Stunde gekommen und rief seine Leserschaft zu Vorschlägen für den Vereinsnamen auf. Das Ergebnis war dürftig, aber klar.
Nur 4.500 Dresdner erkannten den Vereinsnamen des 1.FC Dynamo Dresden als Problem der Zeitgeschichte an. 2.400 von ihnen verkannten jedoch die Zeichen der Zeit und votierten dynamisch für das alte, belastete „Dynamo“. Nur 1.777 Sächsinnen und Sachsen wollten eine Wende. Die Vorschläge gingen bis zum 1.FC Dresdensia, FC Saxonia, Tornado Dresden und Schwarz-Gelb Sachsen. Als inkonsequent muß man diese Vorschläge kritisieren, weil die Chance zum unreparierbaren Schnitt mit der Vergangenheit verpaßt wurde.
Wenn schon ein neuer Name, dann bitte einer mit klarer Positionierung: Audiclub Dresden oder 1.FC Biedenkopf etwa. „Dresdens Schwarze“ wäre auch nicht schlecht gewesen. Diese Chance ist vertan, denn inzwischen will die Stadt den Verein unterstützen, egal ob „dynamisch“ oder nicht. Eine Werbeagentur aus Saarbrücken soll weitere Geldsäcke heranschleppen, damit auch in der nächsten Saison der „Dynamo“ auf Hochtouren laufen kann. Oder geht etwa doch noch der „Torpedo“ ab? bossi
Am Rande der Namensdiskussion in Dresden gewann der 1.FC Dynamo sein Heimspiel gegen den Hamburger SV mit 3:0. 10.000 Zuschauer feierten nach dem gleichen Ergebnis gegen Wattenscheid den höchsten Dresdner Sieg in der Bundesliga-Geschichte. Aber das war unwichtig gegen den Streit, wie man eigentlich heißt.
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