: America first
Die neoisolationistische Rechte der Republikaner fordert das Ende eines weltweiten US-Engagements ■ Aus Washington Rolf Paasch
„Amerika muß immer wachsam bleiben.“ George Bush steht am 7.Dezember 1991 auf dem Mahnmal für die Gefallenen von Pearl Harbor und trompetet — so als hätte sich die Welt kaum verändert — das Motto der amerikanischen Außenpolitik in den letzten 46 Jahren hinaus über den Pazifik und in die Fernsehmikrophone von CNN. Doch diese globale Wachsamkeit, die jährlich knapp 300 Milliarden Dollar kostet, scheint den US-Bürgern langsam zu teuer zu werden.
Während George Bush so auf Hawaii noch das Paradigma des Kalten Krieges beschwört, basteln seine Gegenspieler an der Ostküste schon an einer alternativen Agenda für die kommenden Wahlen. Und zum ersten Mal kommen diese auch aus dem konservativen Lager.
David Duke, Ex-Nazi, Ex-Ku- Klux-Klan-Mitglied und unlängst gescheiterter Gouverneursanwärter in Louisiana, wird den Präsidenten im nächsten Jahr in allen republikanischen Vorwahlkämpfen des Südens herausfordern. Immigrantenstopp und wirtschaftliche Vergeltungsschläge gegen die Japaner gehören zu seinen Programmpunkten.
Auch Patrick Buchanan, rechtskonservativer Kolumnist und ehemaliger Redenschreiber Nixons und Reagans, wird vermutlich im Februar bei den wichtigen Vorwahlen von New Hampshire gegen seinen Parteigänger Georg Bush antreten. „Was kriegen wir eigentlich für unsere 15 Milliarden Dollar an Auslandshilfe jährlich zurück?“ fragt Buchanan, die vermeintliche Stimme von „Joe Sixpack“ (Otto Normalverbraucher) nachahmend.
Nachdem der Siegestaumel über den Golfkriegstriumph verflogen ist und der drohende Doppeleinbruch der gegenwärtigen Rezession die hochfliegende Bush-Politik der „Neuen Weltordnung“ wieder auf den Boden der einheimischen Tatsachen heruntergeholt hat, besinnt sich Amerika plötzlich seiner selbst. Die in den achtziger Jahren munter angehäuften sozialen und wirtschaftlichen Lasten werden langsam untragbar.
Sieben Milliarden Dollar Schuldenerlaß an Ägypten, und wir können uns kaum noch unsere Krankenversicherung leisten, stöhnt da so mancher Familienvater. Kreditgarantien über 10 Milliarden Dollar an Israel, und der Kongreß weiß kaum, woher er die Gelder für die Verlängerung unserer Stütze hernehmen soll, beschweren sich die 8 bis 10 Prozent der Arbeitslosen.
„America First“, so lautet das alte neue Motto der Neo-Isolationisten unter Patrick Buchanan, das sie den konservativen Kritikern Präsident Roosevelts in den 30er Jahren entlehnt haben. Daß die Demokraten im Wahlkampf nun den Einsatz der in der Außenpolitik verplanten Mittel für ein keynesianisches Wirtschafts- und Sozialprogramm fordern würden, war ja vorauszusehen. Daß aber jetzt auch republikanische Stimmen ein Ende des globalen Engagements fordern, könnte dagegen für den Diplomaten und Freihändler George Bush viel bedrohlicher sein.
Denn auf den Antikommunismus als gemeinsame Stütze der politischen Rechten, die auch die Reagan-Koalition bis zuletzt zusammenhielt, wird sich George Bush beim Aufbau seines „republikanischen Zeltes“ nicht mehr bauen können. Und seine Ersatzideologie der „Neuen Weltordnung“ hat bisher nur wenige Anhaltspunkte für Amerikas zukünftige globale Rolle zu geben vermocht.
Da wollen die Neo-Isolationisten schon lieber den totalen Rückzug der USA aus dieser Welt. Buchanan fordert ein Ende der Auslandshilfe und neuer Kredite an Weltbank und Internationalen Währungsfonds; ein Ende des multilateralen Sicherheitspaktes mit Japan; und den Abzug aller US- Truppen aus Südkorea und Europa. Dafür gibt's „Star Wars“ als defensives Schutzschild über den USA. Nur, was die „America Firsters“, wenn sie ihr Land erst einmal heimgeholt haben, dann zu Hause mit ihm anfangen wollen — außer die Steuern für die Reichen zu senken und die Einwanderer rauszuschmeißen —, bleibt in ihrem Programm völlig unklar.
So nötig eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Innen- und Außenpolitik in den USA nach dem Ende des Kalten Krieges auch sein mag, so beunruhigend ist die wachsende Popularität der rechtskonservativen Neo-Isolationisten. Wenn es den Demokraten nicht bald gelingt, Antworten auf die von der Bush-Administration vernachlässigten innenpolitischen Probleme anzubieten, stehen solch verkappte Antisemiten und Rassisten wie Buchanan und Duke schon bereit, dem unsicher gewordenen Land den Weg zu weisen. Danach würden wir uns sogar wehmütig eines George Bush erinnern.
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