Repressionsapparat Knast

■ betr.: "Geschlossene Gesellschaft von Werl", taz vom 11.11.91

betr.: „Geschlossene Gesellschaft von Werl“ von Kurt Schrage,

taz vom 11.11.91

[...] In dem Beitrag verstand es Schrage meisterlich, sich in die Reihen derer einzureihen, die eben das erreichen wollen, was in der Überschrift benannt wird: eine geschlossene Gesellschaft hinter Gittern. Wir brauchen nicht das Mitleid von pseudolinken Intellektuellen, die möglicherweise das Interesse nach 'ner Story mit einer Krankenschwesterneurose verbinden. Was wir vielmehr brauchen, ist 'ne sachliche Diskussion über das, was wirklich Sache ist. Da wäre das Begreifen, daß der Repressionsapparat Knast eigentlich nur ein Teil dessen ist, was Law-and- order-Strategen erdachten, um in unserem Überwachungsstaat die Ausgegrenzten perfektionistisch zu manipulieren und zu bespitzeln. Auch wenn wir „Sozialgefangene“ für die Linke politisch anscheinend ohne Motive für unser Tun sind und von daher ziemlich uninteressant, werden wir gleichsam als Alibi für Polizei und Sicherheitsgesetze herangezogen, um die Vielzahl derer unter Kontrolle zu halten, die in Wohngetthos knastähnlich vegetieren. Knäste, in denen der sogenannte Wohngruppenvollzug praktiziert wird, als sogenannte „Reformanstalten“ zu deklarieren, ist eine Verhöhnung derer, die dort geknechtet werden. Bei der Justiz, wo die oberste Maxime Sicherheit und Ordnung ist, wo es letztlich nur um den Ausbau immer perfektionierter Überwachungssysteme und die Zerstörung von Widerstand geht, ist diese Art von Strafvollzug alles andere als im positiven Sinne reformistisch — es geht vielmehr darum, Langzeiteingeknastete mittels justitiabler Psychologen „haftfähig“ zu erhalten, in einer Art Gehirnwäsche die Akzeptanz zu erreichen, daß das Leben auf einer gesellschaftlichen Müllhalde für sie die Regel ist, die es zu akzeptieren gilt, oder aber, als Alternative, das langsame Krepieren hinter Gittern. [...] Werner Kühne, Dortmund