Harte Verhandlung um eine harte Ecu

■ Beim EG-Gipfel in Maastricht wurden am ersten Tag gleich die Terminkalender für die Nachtsitzungen gefüllt/ Entscheidungen auf heute vertagt: Selbst Beginn der Währungsunion unklar

Maastricht/Berlin (taz) — Dabei hatten sich letzte Woche die zwölf Finanzminister so viel Mühe gegeben. Ja, die Briten bekommen ihre spezielle Ausstiegsklausel, um der Währungsunion nicht sofort beitreten zu müssen. Ja, die Stabilität der künftigen Euro-Währung bleibt absolute Grundlage des Vorhabens. Nein, ein späterer Ausstieg — wenn es ernst wird — ist nicht mehr möglich. Und, ja, die Kriterien dafür, ob ein Land wirtschaftlich reif ist und in die Währungsunion darf, werden objektiv überprüfbar sein.

Und gestern, als die zwölf Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel in Maastricht die Wirtschafts- und Währungsunion berieten? Geriet alles wieder in Fluß, gleich wurden die Kalender mit Terminen für die Nachtsitzungen gefüllt.

Eher erheiternd ist noch das Problem, ob die Briten mit ihrem „Opting-out“ ins Protokoll verbannt werden, um den WWU-Vertrag von diesem Makel reinzuhalten, oder ob ihr Sonderwunsch seine Spur auch in dem Gipfel-Dokument hinterläßt. Bedenklich wiegten die Diplomaten, für die solche Probleme weit mehr als Formsache sind, ihre Köpfe. Denn überdeutlich würde durch eine Protokoll-Lösung der Eindruck, daß die Regierungen mehrheitlich die britischen Vorbehalte gegen die WWU nicht mehr ernst nähmen. Doch die britische Delegation, so isoliert sie auch ist, soll den Vertrag unterschreiben — weitere Verhandlungen sind also angesagt. Ein britischer Diplomat deutete in Maastricht allerdings bereits Konzilianz an: „Deswegen werden wir uns nicht erschießen lassen.“

Ernsthafter ist da schon ein anderer Streit: der um die Konvergenz- Kriterien, also um die Bedingungen, die 1996 erfüllt sein müssen, damit ein Land an der Währungsunion teilnehmen darf. Zu Beginn des Gipfels hatte Bundeskanzler Helmut Kohl noch einmal verkündet, er werde einer WWU nicht zustimmen, durch die die neue Währung in Gefahr gerate. Den Kriterienkatalog hatten die Finanzminister schon so hart wie möglich gemacht: Obergrenzen bei der Neu- und bei der Gesamtverschuldung und bei der Inflationsrate eines jeden Teilnehmerlandes. Doch der niederländische Finanzminister Kok sah es dann am Montag nicht mehr so eng. „Wir werden nicht von Computern regiert“, sagte er und meinte damit, daß auch Länder der WWU beitreten sollten, die ihre Fortschritte nur „in Richtung“ auf die Kriterien machen.

Doch selbst wenn über die Kriterien Einigkeit herrschte — wie soll dann das Verfahren aussehen, mit dem die Einheitswährung beschlossen wird? Die Finanzminister hatten zwei Durchgänge vorgeschlagen. Zunächst solle 1996 versucht werden, Einstimmigkeit unter allen zwölf Mitgliedern herzustellen, um mit mindestens sieben von ihnen die WWU zu beginnnen. Gelänge das nicht, sollte der Start zwei Jahre später mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Dann wäre die Währungsunion spätestens am 1. Januar 1999 Realität.

Unklar war bei diesem Modell, ob 1998 nach dem Prinzip „Ein Land — eine Stimme“ verfahren oder die Stimme eines Landes nach dessen Größe gewichtet werden solle, eine Zustimmung also mit qualifizierter Mehrheit zustande kommen müsse. Unschwer zu erkennen, daß dahinter der Wunsch der Großen nach einer Sperrminorität steht, zumal sich die Diskussion im Verlaufe des Montags von der zweiten (1998) zur ersten Abstimmung (1996) verlagerte. Auf eine einfache Mehrheit für die erste Abstimmung mochten sich die großen Länder nicht einlassen. Ebensowenig sagte ihnen aber auch die von den Finanzministern vereinbarte Einstimmigkeit zu, weil sie damit jedem der Mitgliedsländer ein Vetorecht für zwei Jahre und endlose Verhandlungen um dessen Verhinderung beschert hätte.

Und der Zeitpunkt für die neue Währung? Auch er war am Montag wieder umstritten. Frankreich und Italien drängten auf die Festlegung. Der britische Premierminister Major meinte dagegen, dann sei es nur ein „Feigenblatt“, weil bis dahin die Konvergenz nicht erreicht werde. Der große Unterschied zum Opting- out: Der Starttermin muß in den Vertrag, darüber herrscht Einvernehmen. Und dafür ist Majors Zustimmung erforderlich. Dietmar Bartz