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Ist Wilhelmshaven noch zu retten?

■ Büromaschinen-Produktion aus / Denkt Daimler-Benz an Alternativen?

“Wir werden nicht wie das Kaninchen auf die Schlange blicken. Wir tun weiterhin alles, um unsere Arbeitsplätze zu sichern“, sagte gestern Vertrauenskörperleiter Roland Smolawa von den AEG-Olympia-Werken in Wilhelmshaven. Nach der Aufsichtsrats-Sitzung der AEG am Montag in Frankfurt wissen die 2.700 OlympianerInnen immer noch nicht, ob ihre Zukunft gerettet ist — oder ob sie allesamt in die Arbeitslosigkeit geschickt werden.

Deshalb gehen die Aktionen der Beschäftigten weiter. Täglich stehen Olympia-ArbeiterInnen als Mahnwache vor der Stuttgarter Daimler-Benz-Zentrale. Gestern mobilisierte der Betriebsrats-Vorsitzende aus Wilhelmshaven seine Gewerkschafts-KollegInnen bei Daimler in Stuttgart- Möhringen. Olympia gehört zur AEG, die wiederum zu Daimler- Benz gehört. Und am Montag waren 1.500 OlympianierInnen mit einem Sonderzug nach Frankfurt gefahren, um beim Aufsichtsrat Druck für ihre Arbeitsplätze zu machen.

Die Aufsichtsrats-Sitzung des AEG-Konzerns erbrachte zwei Ergebnisse. Die Produktion von Büromaschinen bei Olympia in Wilhelmshaven soll bis spätestens 31. Dezember 1992 endgültig eingestellt werden. Allein für das Jahr 1991 rechnet die AEG mit Olympia-Verlusten von 150 Millionen Mark. Daß die Büromaschinen-Produktion so nicht mehr weiterlaufen kann, war auch den meisten GewerkschafterInnen klar. Der Beschluß im Aufsichtsrat fiel einstimmig.

Zweitens beauftragten die Aufsichtsrats-Mitglieder den AEG

Reuter-Denkmal in Wilhelmshaven

Vorstand, bis zum 18. Februar 1992 Vorschläge für alternative Produktions-Möglichkeiten zu erarbeiten. Ziel des Konzeptes soll es sein, „im Rahmen des wirtschaftlich Tragfähigen möglichst viel Beschäftigung zu sichern“.

Für das Konzept verantwortlich ist eine „Konzern-Projektgruppe“ bei Daimler-Benz. „Die ist durch unseren Druck aus Wilhemlmshaven entstanden“, vermutet Olympianer Roland Smolawa. In der Arbeitsgruppe sitzen auch drei Vertreter der Olympia- Belegschaft.

Wieviele Arbeitsplätze bei dem Konzept als „wirtschaftlich tragfähig“ herauskommen, ist noch nicht klar. AEG-Sprecher Christoph Peez: „Sich festzulegen, ist jetzt nicht möglich.“

Die Industrie-Gewerkschaft

hier bitte

den schwarzen Mann

Metall in Frankfurt hält den AEG- Beschluß nicht für eine „Beruhigungspille“ und begrüßt das Verhandlungs-Ergebnis vom Montag „als vollen Erfolg. Daimler-Benz ist jetzt bereit, auf der Basis des Arbeitsplätze-Konzepts des Olympia-Betriebsrates weiterzumachen.“

Roland Smolawa dagegen ist sich an diesem Punkt nicht so sicher. „Es ist überhaupt nicht klar, ob das eine richtige Arbeitsgruppe wird. Daimler-Benz könnte ja auch sagen: Euer Konzept ist Quatsch.“

Das Konzept der Betriebsräte besagt Folgendes: Schon jetzt stellen in Wilhelmshaven mindestens 900 Beschäftigte verschiedene Produkte her — von der Kaffeemaschine bis zum Akku-Lade- Gerät — die mit Büromaschinen nichts zu tun haben. Diese Produktionsbereiche sollen erhalten und ausgeweitet werden. Der Olympia-Betriebsrat fordert, daß aus dem riesigen Daimler-Benz- Konzern einige Produktionsbereiche nach Wilhelmshaven verlagert werden.

Für ihre Vorschläge haben die OlympianerInnen die Unterstützung der Gesamtbetriebsräte von Daimler und AEG. Selbst IG-Metall-Chef Franz Steinkühler hat „Unruhe“ unter den Daimler-Beschäftigten angekündigt für den Fall, daß die Vorstellungen der OlympianerInnen nicht berücksichtigt werden.

Verhalten optimistisch wird das Verhandlungsergebnis in Stadt und Land beurteilt. Wilhelmshavens Bürgermeister Menzel sieht „ein klein wenig Hoffnung“. Und ein Sprecher des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums hofft, daß Daimler keine „Hinhaltetaktik“ ausprobiert. Auch Roland Smolawa hat wieder ein wenig Hoffnung, auch wenn er „über die Zukunft nur spekulieren kann“. Hannes Koch

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