piwik no script img

Ein alter Weggefährte sucht neue Pfade

Die Ampel-Partner in Bremen hoffen auf ein positives Grünen-Votum/ Konrad Kunick scheidet aus dem Senat aus und fordert Verhandlungen für eine große Koalition/ Wedemeier: „Ein Dolchstoß“  ■ Aus Bremen Klaus Wolschner

Konrad Kunick, seit zwanzig Jahren innerparteilicher Weggefährte beim Aufstieg des Bremer Juso-Vorsitzenden Klaus Wedemeier zum ersten Bürgermeister, hat gestern aus Protest gegen das Festhalten an der Ampel-Koalition sein Ausscheiden aus dem Senat der Freien Hansestadt erklärt. Am Mittwoch wäre mit der Wahl einer neuen Landesregierung seine Amtszeit sowieso zu Ende gegangen. Offensichtlich wollte Kunick auf dem für gestern abend angesetzten Sonderparteitag der Bremer SPD „freie Hand“ haben, seine Kritik an Bürgermeister Wedemeier erstmals auch vor den Delegierten der SPD zu formulieren.

Nachdem Kunick vor zwei Wochen erfahren hatte, daß er nicht mehr in dem neuen Senat vertreten sein wird, hatte er sich schrittweise zum wortreichen Kritiker der geplanten Ampel-Koalition entwickelt. Als am vergangenen Samstag die Mitglieder der Grünen mit 97:96 Stimmen die Bildung einer Koalition mit FDP und SPD verwarfen, forderte Kunick Verhandlungen mit der CDU, um eine große Koalition und den Rücktritt des Bürgermeisters, der weiter an der Ampel festhielt, zu erzwingen. „Die Grünen sind kein seriöser Partner mehr“, meinte Kunick und deutete an, der Bürgermeister wolle nur noch zwei Jahre vollkriegen, „um dann endgültig die volle Pension zu haben“.

Mit scharfen Worten hat Bürgermeister Wedemeier den „Dolchstoß von hinten“ seines langjährigen politischen Freundes zurückgewiesen. Trotzdem bedankte sich der Präsident des Senats auf der gestrigen letzten Sitzung der Landesregierung artig bei „Herrn Kunick“ für die geleistete Arbeit. Über den vor den Medien ausgetragenen Streit sprach die Runde nicht. Um an der Wahl des Neuen am Mittwoch vormittag nicht teilnehmen zu müssen, teilte Kunick mit, er wolle sein Mandat im Landesparlament erst ab dem 12.12. 91 wieder aufnehmen.

Für Dienstag abend waren zeitgleich zur SPD auch die Mitglieder der Grünen zu einer neuen Versammlung eingeladen. Nach einem Sturm der Entrüstung unter Mitgliedern und Sympathisanten in der Stadt und ausgestattet mit Solidaritätstelegrammen der Bundestagsfraktion Bündnis 90 und der Landesverbände Hessen, Baden-Württemberg und Bayern hofft der Landesvorstand der Bremer Grünen, das Votum gegen die Ampel vom vergangenen Samstag wieder kippen zu können. In einer Gesprächsrunde der drei Verhandlungsdelegationen, die sich in Bremen in relativer Verkennung der Dimensionen „Elefantenrunde“ nennt, einigten sich die Ampel-Partner gestern darauf, daß am Mittwoch der volle Senat gewählt werden soll — wenn die Mitgliedschaft der Öko- Partei die Ampel wieder auf Grün stellt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen