: Rufschädigend
■ Betr.: „Papis Liebe tut ihr weh“ — taz-bremen, v. 9.12.91
Daß ein taz-Journalist Informationen, die er selbst am Telefon erfragt hat, verfälscht, unterdrückt und durch pure Erfindungen ersetzt, das kannten wir bisher nur von Zeitungen, aus denen das Blut tropft. Zur Richtigstellung: Anette v. Stemmen sprach nicht als Mitglied des bremischen Landesverbandes des DKSB, sie gab ihm Auskünfte als Leiterin des Kinderschutz-Zentrums. Das wird zwar in Bremen vom DKSB getragen, ist aber autonom und hat insofern auch eine eigene Meinung. So hat A.v. Stemmen wohl gesagt, daß wir für eine Einstellung der Kampagne sind — doch welche differenzierten Gründe wir für diese Haltung haben, das gibt Manfred Dworschak nicht weiter — um einen gewollten Gegensatz zu erzeugen: DKSB hilft den Tätern, Mädchenhaus hilft den Opfern.
So halten wir Öffentlichkeitskampagnen wie die des DKSB zur sexuellen Ausbeutung von Kindern, die in erster Linie Fremdmelder ansprechen, für grundsätzlich problematisch. Sie können dazu führen, die eigentlich betroffenen Kinder und Familien noch weiter zu isolieren und stehen somit im Widerspruch zu unseren niedrigschwelligen Hilfsangeboten. Betroffene, die die notwendigen Hilfen nicht bekommen, einfach weil es zu wenig Beratungseinrichtungen gibt, geraten unter Umständen in noch größere Verzweiflung. Diese Realität, mit der tendenziell alle Kinderschutzeinrichtungen zu tun haben, verhunzt M.D. zu der Behauptung, Frau von Stemmen befürchte zu viele Anrufe aus der Nachbarschaft. Und zwar deshalb, phantasiert M. D. weiter, weil das unsere eigentliche Arbeit, „Hilfe für die Täter“, erschwere.
Und damit sind wir bei seiner unglaublichsten Unterstellung: Wir würden uns vorrangig (oder gar ausschließlich?) um die Täter kümmern, wir zeigten für sie „lauteres Verständnis, wie es seit jeher die Methode des DKSB ist“. Das ist rufschädigend und verantwortungslos. Unser oberstes Ziel ist vielmehr, Kinder und Jugendliche vor körperlicher und psychischer Gewalt, Vernachlässigung und sexueller Ausbeutung zu schützen. Sobald wir wissen, daß ein Mädchen oder ein Junge sexueller Gewalt ausgesetzt und das Kind mit unserem Vorgehen einverstanden ist, drängen wir — wie wohl alle Kinderschützer — auf den sofortigen Schutz vor dem Gewaltausübenden. Allerdings schließen wir eine Arbeit mit den „Tätern“ nicht aus. Dies ist aber wahrlich nicht das dominierende Angebot in unserem Hilfssystem. Es zeigt aber auf, daß wir auch bei vergewaltigenden Vätern nicht in die Kopf-ab-bzw.Schwanz-ab-Hysterie verfallen. Schließlich ist sattsam bekannt, daß der kleine Gauner hinter Gittern gute Chancen hat, ein großer zu werden.
Gegen die schematische Verwendung der Begriffe „Opfer“ und „Täter“ wenden wir uns seit schon Jahren, weil damit mehr verschleiert als aufgedeckt wird. Verständnis hat für uns — wie es M.D. suggeriert - überhaupt nichts mit der Kumpanei mit Tätern zu tun. Das ist M. D. in dem Telefonat mit A. v. Stemmen ausführlich erklärt worden. Und von den zitierten „12 vergewaltigenden Vätern“, die sich in der Zentrale in Hannover gemeldet haben, war uns in Bremen nichts bekannt. Für einen Erfolg aber halten wir vielmehr, daß sich dort vor allem Kinder gemeldet haben.
Falls M. D. weiterhin mit Verdrehungen und gespielter Empörung arbeiten will, hier noch ein bißchen Futter: Ja, es ist richtig, wir können die DKSB-Anzeigen nicht in Grund und Boden verdammen. Die „Sprache der Täter“ können wir in ihnen nicht entdecken. Und bei seiner Aussage, die Bildmotive (“rehäugiges Mädchen“) könnten Stammtischbrüder aufgeilen, scheint es sich wohl eher um eine bedenkliche Projektion des M. D. zu handeln.Für die MitarbeiterInnen des Kinderschutz-Zentrums:
B. Breuer, H. Dachale, A. v. Stemmen.
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