: Mit Weihnachtsbraten überfordert
■ Erstmalig wird ein Wohnhaus durch ein eigenes Blockheizkraftwerk mit Strom und Wärme versorgt
Berlin. Die Bundesrepublik heizt bei offenem Fenster. Jede Privatperson, die solches tut, ist ein Energieverschwender; legitim wird's offenbar erst in riesigen Mengen. Denn nichts anderes geschieht in Kraftwerken, deren anfallende Hitze nicht ins Fernwärmenetz eingespeist sondern durch Kühltürme nach draußen gejagt wird.
Berlin liegt gut im Schnitt: In sieben von acht Kraftwerken wird die Erzeugung der Kraft mit der von Wärme gekoppelt; bereits seit mehr als zehn Jahren beheizt die Bewag mit dem anfallenden Wasserdampf große Gebäude im näheren Umfeld der Kraftwerke. Die abgeschottete Lage Berlins machte die Begrenztheit von Rohstoffen in der Vergangenheit überdeutlich.
Doch die Fernwärme ist nicht die einzige Möglichkeit der Kraft-Wärme-Kopplung. In Kreuzberg wird jetzt das erste reine Wohnhaus aus seinem eigenen kleinen Blockheizkraftwerk (BHKW) mit Strom und Wärme versorgt. Der Motor eines Ford Escort betreibt die Anlage mit Gas. In Reinickendorf verbrennt eine Schokoladenfirma ihre Kakaoschalen, nutzt die Wärme und speist den Strom ins Netz der Stadt ein. Und in Wannsee wird das Gas verbrannt, das der Müll auf der dortigen Deponie abgibt, wenn er sich zersetzt.
Kraft-Wärme-Kopplung ist in aller Munde, sie ist sinnvolle Energieeinsparung und Modewelle zugleich. Da wird dann manchmal der tatsächliche Nutzen zur Nebensache, wie jetzt im Klinikum Steglitz: Jahrelang bediente die Bewag das Krankenhaus mit Fernwärme; riesige Investitionen waren dafür notwendig.
Nun bekommt die städtische Heilanstalt ein eigenes Blockheizkraftwerk, zur Hälfte von der EG finanziert. »Dieses Geld hätte man besser in Ost-Berlin investiert«, meint Eckhard Reeh, dort hätte wirklich Energie gespart werden können. Reeh leitet die Arbeitsgruppe »Blockheizkraftwerke« bei der Bewag, die über Alleingänge im Steglitzer Stil wenig erfreut ist: Die Versorgungspflicht obliege weiter den Energieversorgungs-Unternehmen (EVU), erklärt Reeh, aber »jetzt werden einzelne Rosinen herausgepickt«.
Wenn nämlich in Steglitz Probleme auftreten, wird selbstverständlich der Bewag-Strom genutzt. Das gilt auch für die kleinen Kraft- Wärme-Kopplungen: »Wenn drei Waschmaschinen laufen, geht die Anlage in die Knie«, prophezeit Reeh. Selbst die Bewag muß sich regelmäßig auf die »Weihnachtsbratenspitze« einstellen: Am 25. Dezember wird kurz vor Mittag extrem viel Strom verbraucht; ein Phänomen, das die Wasserwerke von Halbzeitpausen bei Fußball-Länderspielen kennen.
Zudem liefern die kleinen Anlagen oft entweder zuwenig Strom oder aber soviel Wärme, daß diese im Sommer ungenutzt verpufft. »Blockheizkraftwerke lohnen nur, wenn mindestens ein Abnehmer regelmäßig eine größere Menge Wärme benötigt«, erklärt Reeh. Die Bewag hilft daher Interessierten bei der Projektierung, um Überproduktionen ins eigene Netz leiten zu können. Erst bei einer bedeutenden Zahl solcher BHKWs, die mit der Bewag kooperieren, könnten eigene Kraftwerke, wie das alte Monstrum an der Oberhavel, abgeschaltet werden. Und die Zusammenarbeit zahlt sich aus: Etwa 13 bis 16 Pfennig gibt die Bewag den Betreibern pro Kilowattstunde. Das liegt knapp über dem bundesweit von den Elektrizitätskonzernen abgesprochenen Preis.
Doch viele der kleinen Anlagen »stinken« Reeh: Sie fallen wegen ihrer Größe nicht unter das Luftreinhaltungsgesetz und können daher auch ohne Filter mit Diesel betrieben werden. Reeh: »Da fällt der ökologische Aspekt gänzlich ins Wasser.« Diesel verbrennt auch das BHKW im Zehlendorfer Krankenhaus Heckeshorn; eigentlich sollen sich dort Lungenkranke erholen.
Grundsätzlich jedoch müsse »noch viel häufiger ein Blockheizkraftwerk in Erwägung« gezogen werden, rät Reeh. Thomas Otte, Planer beim Energiekontor Berlin, sieht Möglichkeiten vor allem im Osten der Stadt. Dort werden ganze Straßenzüge gemeinsam beheizt und elektrifiziert, wenn auch zur Zeit noch mit Kohle. Bei Umstellung auf Erdgas könnten diese »Nahwärme- Inseln« nach Meinung Reehs »vorbildlich« werden. Christian Arns
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