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Koreas Schritt zur Versöhnung

■ Heute soll Grundlagenvertrag über Wiederversöhnung und Nichtangriff unterschrieben werden/ Vorsichtige Öffnung Nordkoreas/ Voraussichtlich werden Besuche möglich

Seoul/Berlin (dpa/taz) — Die Regierungschefs von Nord- und Südkorea haben gestern einen historischen Durchbruch zur Beendigung des kalten Krieges zwischen den beiden Staaten erzielt: Mit dem „Vertrag über Wiederversöhnung, Nichtangriff, Austausch und Kooperation“ verzichten die Regierungen beider Koreas auf eine gewaltsame Lösung zur Überwindung der Teilung. Zu der überraschenden Wende kam es am zweiten Verhandlungstag, als die Unterhändler in einer Marathonsitzung die letzten Differenzen über Inhalte des Abkommens aus dem Weg räumten.

Lee Dong Bok, Sprecher der Seouler Verhandlungsdelegation, bezeichnete die Abmachungen als einen „Meilenstein“ in der jüngeren Geschichte Koreas. „Wir werden in Zukunft ein völlig verändertes Bild in den innerkoreanischen Beziehungen sehen“, sagte Lee übermüdet und strahlend vor der Presse. Seiner Meinung nach stellt das Verhandlungsergebnis auch das nordsüdkoreanische Kommuniqué aus den 70er Jahren weit in den Schatten. Damals hatten die ideologisch tief verfeindeten Koreas zum ersten Mal auf offizieller Ebene Kontakte aufgenommen. Auch die Nordkoreaner zeigten sich erfreut. „Die Verhandlungen laufen ausgezeichnet, und wir werden sehr gute Nachrichten haben“, sagte ein Mitglied der Delegation aus Pjöngjang.

Der Grundsatzvertrag soll voraussichtlich am Freitag morgen vom Seouler Regierungschef Chung Won Shik und seinem Amtskollegen Yon Hyong Muk unterzeichnet werden, nachdem die Präsidenten aus Nord- und Südkorea zugestimmt haben. Bis dahin sollen auch noch keine Einzelheiten des Abkommens veröffentlicht werden.

Die erzielten Abmachungen, soviel ist aber klar, enthalten sowohl eine Nichtangriffserklärung, vertrauensbildende Maßnahmen und militärische Abrüstung wie auch konkrete Schritte zur Wiederversöhnung: Familienaustausch, Handel und Kommunikation zwischen den beiden Landesteilen, für deren Bewohner seit der Teilung jede Kontaktaufnahme als Verstoß gegen die jeweilige „nationale Sicherheit“ gilt, die unter hohen Strafen stehen. Auch ein Friedensvertrag könnte in Zukunft das Waffenstillstandsabkommen ablösen, das seit dem Ende des Korea-Krieges (1950-53) über die Einhaltung des Friedens auf der ostasiatischen Halbinsel wacht.

Regierungsgespräche gibt es auf der koreanischen Halbinsel erst seit September 1990. Im vergangenen Oktober hatten sich Chung und Yon in Pjöngjang beim vierten Treffen grundsätzlich auf den Abschluß eines Grundsatzabkommens geeinigt. Über die konkreten Inhalte des nach deutschem Muster modellierten Vertrages bestanden aber noch große Meinungsverschiedenheiten.

Bei den Auftaktgesprächen am Mittwoch hatten die Regierungschefs erstmals Entwürfe über eine gemeinsame Erklärung zur Schaffung einer nuklearfreien Halbinsel gefordert. Dabei geht es vor allem um den Abzug der in Südkorea stationierten US-Waffen und die Inspektion der Kernanlagen in Nordkorea, wo angeblich Nuklearwaffen gebaut werden. All diese komplizierten Fragen müßten in getrennten Beratungen behandelt werden, sagte Lee Dong Bok.

Nachdem US-Präsident Bush im letzten September angekündigt hatte, die in Übersee stationierten taktischen Atomwaffen — damit also auch jene in Südkorea — abzuziehen, und aus südkoreanischen Regierungskreisen verlautet, die letzten US-Nuklearwaffen hätten das Land bereits verlassen, waren in den letzten Tagen nun auch konziliantere Töne aus Nordkorea gekommen.

Der jüngste Wandel in der nordkoreanischen Position ist vor allem auf den Druck von seiten der USA, Japans und der Sowjetunion zurückzuführen. Nordkorea, dessen ökonomische Lage sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert hat, sucht dringend wirtschaftliche Hilfe vor allem aus Japan. Doch Pjöngjangs langjährige Weigerung, Kontrollen seiner atomtechnischen Anlagen zuzulassen, stellte bislang das größte Hindernis zu einer Verbesserung der Beziehungen zu dem östlichen Nachbarn dar.

Und als der nordkoreanische Parteichef Kim Il Sung im Oktober nach Peking gereist war, um dort, wie Radio Pjöngjang meldete, am „weiteren Sieg des Sozialismus mitzuwirken“, hatten auch dort seine Gastgeber wohl darauf hingewiesen, daß es nun an der Zeit sei, nachzugeben. li

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