: Bundesbank segnet Währungsunion ab, bezweifelt aber ihren pünktlichen Start
■ Schlesinger: Finanzausgleich wird Thema der politischen Union/ D-Mark muß nicht notwendig weichen
Paris (dpa/ap/taz) — Trotz einer grundsätzlich positiven Bewertung der EG-Beschlüsse von Maastricht hat Bundesbankpräsident Helmut Schlesinger Zweifel am dort festgelegten wirtschafts- und währungspolitischen Fahrplan angemeldet. „Die eigentliche Arbeit“ auf dem Weg zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion steht nach seiner Meinung noch bevor. „Ob diese notwendige Arbeit in der gesetzten Frist bewältigt werden kann, läßt sich heute nicht eindeutig vorhersagen“, gab sich der deutsche Notenbankchef am Mittwoch bei einem Vortrag in Paris skeptisch.
Unter den zahlreichen Vertragsänderungen gebe es „einige Details, die sich die Bundesbank etwas anders gewünscht hätte“. Negativ sei etwa, daß die EG-Bank eigene Reserven erhalte, mit denen die Währungspolitik eines Landes konterkariert werden könnte. Mißmut hatte die Bundesbank bereits in bezug auf die Konvergenzkriterien angemeldet, nach denen über den Eintritt in die WWU entschieden wird. Die gemeinsamen Anstrengungen, so Schlesinger, müßten jetzt darauf abzielen, den Preisauftrieb „auf zwei Prozent pro Jahr oder weniger zu begrenzen“. Eine Geldentwertung wie in der Bundesrepublik — derzeit gut vier Prozent — könne auf Dauer nicht hingenommen werden.
Zufrieden zeigte sich Schlesinger mit dem Beschluß über das Europäische Zentralbanksystem. Damit sei eine Voraussetzung dafür geschaffen, „eines Tages eine ebenso stabilitätsorientierte Geldpolitik betreiben zu können, wie es beispielsweise der Bundesbank in den zurückliegenden Jahrzehnten möglich war“. Manche Formulierung im Vertrag sei „eher noch strenger; dem Ehrgeiz, es noch besser zu machen als die Bundesbank, sollten keine Grenzen gesetzt werden“.
Der Politik warf er vor, der Bevölkerung die konkreten Folgen nicht ausreichend klarzumachen. Die D-Mark werde 1997 (oder 1999) nicht notwendig vom ECU abgelöst werden. Die Einführung einer einheitlichen EG-Währung sei zwar das logische Ziel einer Währungsunion, im Zeitplan aber nicht beschlossen. Mit der Währungsunion werde es nach 1997 allerdings keine D-Mark- Geldpolitik mehr geben. Alle Unionswährungen würden gesetzliche Zahlungsmittel und stünden in einem festgelegten Kursverhältnis zueinander.
Der Bundesbankchef widersprach der Befürchtung, einzelne Mitglieder der künftigen EG-Zentralbank könnten als nationale Vertreter versuchen, im Interesse ihrer Regierungen auf die Geldpolitik Einfluß zu nehmen. Die Notenbankgouverneure hätten kein nationales Mandat, sondern nur ein Mandat der Notenbank.
Das „gemeinsame Währungsgebiet“ werde die Schwächen mancher Regionen akzentuieren und dort zusätzliche Finanzansprüche erzeugen, sagte Schlesinger. Die Regelung dieser Finanzfragen werde zu einem Thema der Politischen Union.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen