: Kleine Zukunft für Jugendradio DT64
Ein halbes Jahr kann der aufmüpfige Jugendfunk unterm Dach des MDR weitersenden/ Hörfunkdirektorin Sommerey fordert Personalreduzierung sowie „Entideologisierung“ des Programms ■ Von Karl-Heinz Stamm
Berlin (taz) — Es scheint als würden die zahlreichen Aktionen, mit denen die Fans von Jugendradio DT64 gegen das Abschalten ihres Lieblingssenders protestiert hatten, von vorübergehendem Erfolg gekrönt. Denn am späten Donnerstagabend gab die Hörfunkdirektorin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Karola Sommerey, in Magdeburg vor dem Kultur- und Medienausschuß bekannt, daß der Sender noch ein halbes Jahr auf der bisherigen Frequenz weiter senden darf. Sie wolle sich aber um eine Fortsetzung des Sendebetriebs über diese Frist hinaus kümmern.
Der Intendant des MDR, Udo Reiter, bestätigte dies am Freitag. Die beiden Frequenzen, die später einmal privaten Rundfunkanstalten zur Verfügung stehen sollen, seien Anfang 1992 noch nicht belegt und könnten daher ohne Schwierigkeiten verwendet werden.
Für die Ministerpräsidenten der neuen Länder kommt eine dauerhafte Fortführung allerdings nicht in Betracht. Wie der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) nach der fünften Regionalkonferenz der Regierungschefs der neuen Länder und Berlin vor der Presse erklärte, haben die Ministerpräsidenten das Angenbot des MDR zur „Kenntnis genommnen“. An den bisherigen Frequenzregelungen könne jedoch nichts geändert werden. Die Regierungschefs sähen keine Möglichkeit eines Fortbestands von DT64 über die vorübergehende Regelung bis zum 30. Juni 1992 hinaus.
Das Jugendradio, das als Teil des Berliner Rundfunks in der Ostberliner Nalepastraße produziert wird, soll unter der rundfunkrechtlichen und journalistischen Verantwortung des in Leipzig angesiedelten MDR senden. Reinhard Krug, der Leiter der Intendanz, teilte auf Anfrage mit, daß Fragen der Programmverantwortung als auch des Sendestandortes noch nicht geklärt seien. Die Parklösung habe den Vorteil, „daß die Verantwortlichen jetzt ohne Zeitdruck entscheiden könnten“. Seine Hoffnung sei, „daß auch der Ostdeutsche Rundfunk (ODR), der ja immer sein Interesse an DT64 bekundet hat, mitzieht“.
Gegenüber 'AFP‘ sagte Hörfunkdirektorin Sommerey am Freitag, im Falle einer MDR-Übernahme seien Personalreduzierungen zu erwarten. Das Programm solle im wesentlichen beibehalten, müsse aber teilweise noch „entideologisiert“ werden. Dazu wolle sie auch einen neuen Programmchef einsetzen. Als künftiger Name schlug die Hörfunkchefin „DT92“ vor.
Bei den Programm-Machern scheinen die Pläne auf wenig Gegenliebe zu stoßen. Ein Redakteur gegenüber der taz: „Das ist nicht das, was die Leute wollen.“ Auch Chefredakteur Schiewack sieht in der befristeten Übernahme seines Senders keine Rettung. Denn nach einem halben Jahr gehe die Frequenz ja wieder an die Privaten.
Der zum Berliner Rundfunk gehörende Jugendsender, der wie der „Berliner Rundfunk“ und „Radio Aktuell“ laut Einigungsvertrag am Jahresende abgeschaltet werden soll, hat bei den Jugendlichen in Sachsen die höchsten Einschaltquoten.
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