: Hommage an die Einfalt
■ Marie Goyette (Piano) mit einer eigenwilligen »Performance« in der »Küche«
Samstag abend, Reichenberger Straße: In der Küche, einer der profiliertesten Spielstätten für Avantgarde-Musik, war die Kanadierin Marie Goyette an Klavier und Elektronics angekündigt. Die als Interpretin Neuer Musik nicht ganz unbekannte Pianistin hatte sich für den Abend Performance-Kunst vorgenommen.
Zahlreich war das Publikum erschienen — die Küche scheint sich zu einem kleinen Renner zu entwickeln, zum wiederholten Male gingen die Stühle aus — und harrte geduldig der Dinge, die da kommen mochten. Mit halbstündiger Verspätung ging's schließlich los, Marie Goyette erklärte, für fünf Stücke fünferlei Sätze als thematische Orientierung aus dem Leben gegriffen zu haben.
Von Haben Sie einen Angelschein? über Rasieren Sie nicht gegen den Strich und Reichen Sie mir bitte die Suppenterrine bis hin zu einem Golfspiel-Satz gaben die Motti sich an Anschaulichkeit nichts nach.
In diesem Sinne setzte sie Marie Goyette auch um: zum Angel-Satz wird mit Stock, per daran schwingender Kugel, im geöffneten Flügel gefischt; ein ostinat-gelooptes Wassergeräusch-Sample begleitet.
Der Sampler hat es der Künstlerin angetan, besonders die Loop-Funktion begeistert sie derartig, daß sie den ganzen Abend kaum anderes mit dem Gerät anzufangen weiß.
Nicht gegen den Strich rasieren, auf einem Barhocker vorgeführt, exponierte die subtile Idee, einen Rasierapparat in ihre Bluse hinein- und wieder hinauswandern zu lassen, was unterschiedliche Brummgeräusche erzeugt. Dann darf's wieder der Sampler sein, der wird zur Suppenterrine mit Messer und Gabel gespielt und dem Publikum diesmal ostinates Geschmatze zu Ohren gebracht.
Golfplatz hingegen inspiriert zu im Flügel hüpfenden Tischtennisbällen; damit das wirkungsvoller geschieht, werden auch mal die Tasten gedrückt, auf daß das springende Plastik dem Publikum ein paar bemühte Lacher entlocke.
Ein Tänzchen zu einem — was sonst? — Sampler-Ostinato schließt den Abend ab. Dazu noch irgendein Notbremsen-Satz als Programm; eine Notbremse war nicht mehr vonnöten, die Hommage an die musikalische Einfalt beendet.
Mögen die Kinder unterm Weihnachtsbaum an ihren frisch ergatterten elektronischen Musikinstrumenten weitere Knöpfe entdecken! Fred Freytag
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