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Knast-Projekt vor dem Aus

■ Kein Geld mehr für Betreuung mit Angehörigen

„Das werden wir uns nicht bieten lassen!“ Helle Aufregung herrscht seit Freitag im Knast in Oslebshausen. Die Insassen befürchten, daß ab Januar ein Betreuungsangebot wegfallen wird, das engere Kontakte nach „draußen“ — zu Ehepartnern, Kindern und Verwandten — ermöglicht und zu ihrer Resozialisierung beiträgt.

Weil Bundesmittel fehlen, soll die ABM-Stelle von Dorothea Grewe vom Verein „Hoppenbank“ nicht verlängert werden. Die Sozialpädagogin und Familientherapeutin hat das Projekt „Fragezeichen“ aufgebaut: Sie bietet Gruppenabende mit Angehörigen im Knast an, Familien- und Paarseminare sowie Beratungen. Damit Gefangene mit sozialen Bindungen ein Forum haben, um über interne Probleme oder Krisen in der Partnerschaft zu reden — oder um den Kontakt nach „draußen“ über streng geregelte Besuchszeiten, überwachte Ausführungen und seltene Freigänge hinaus zu ermöglichen. „Wir haben starke Nachfrage“, sagt Grewe, etwa 100 Gefangene hat sie bisher betreut. Wird die ABM-Stelle nicht verlängert, stirbt das Projekt.

In nur zwei Tagen haben die Insassen 104 Unterschriften gesammelt und in einem Brief an das Arbeitsamt protestiert. „Hier geht große Betroffenheit um“, erzählt Klaus Engqvist. „Aber es gibt eine absolute Solidarität.“ Auch Gefangene, die an dem Projekt nicht selbst teilnehmen, haben unterschrieben. Immer mehr Insassen wollen das Angebot vom „Fragezeichen“ nutzen, deshalb fordern sie nicht nur die Rücknahme der „verheerenden und destruktiven Maßnahme (...), die gegen jegliche Prinzipien des Resozialisierungsauftrages verstößt“, sondern fordern Stellenausbau.

„Es gibt keine Alternative“, sagt Engqvist. „Mich hat das 'Fragezeichen' bisher moralisch aufrechterhalten.“ Betroffene Ehefrauen schreiben: „Es war möglich, ein Stück 'Normalität' zu leben.“ Aus dem Projekt heraus bildeten sich Selbsthilfegruppen der Ehefrauen, die Gefangenen haben in Eigeninitiative den Verein „Mikado“ gegründet. Und Martin Specht vom Vorstand des Vereins Hoppenbank findet: „Hier wird etwas kaputtgemacht, was sozialpolitisch gewünscht wird. Dieses Projekt trägt zur Reduzierung der Kriminalität bei — und die kommt sehr viel teurer als solche Personalkosten.“

Auch die Anstaltsleitung unterstützt das Projekt. Dazu Reinhard Peter, Leiter des geschlossenen Vollzuges: „Wir würden eine Fortführung begrüßen.“ skai

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