Dem Kolonialismus ein neues, zeitgemäßes Gesicht

■ betr.: "Der Linken hat es die Spracher verschlagen", taz vom 9.12.91

betr.: „Der Linken hat es die Sprache verschlagen“ von Ulrich Hausmann, taz vom 9.12.91

Die Ausführungen von Hausmann sowie Brumlik/Diner sind von einer Selbstgerechtigkeit und Einseitigkeit, die nicht mehr zu überbieten sind.

Wer nach einem Jahr die Menschen, die gegen den Golfkrieg demonstriert haben, immer noch mit diesen platten wie falschen Vorwürfen des Antiamerikanismus beziehungsweise Antisemitismus konfrontiert, seine eigene Meinung dabei als das Maß der Dinge setzt, scheint von dem, warum die Menschen demonstriert haben, nichts mitbekommen zu haben oder aber sie wollten nichts mitbekommen, da es in ihr ideologiebelastetes Weltbild nicht reinpaßt. [...]

Bevor Brumlik/Hausmann den Golfkrieg moralisch legitimieren, dabei die Folgen und die Opfer völlig ausklammern, sollten sie mal überlegen, ob es auch eine andere, gerechtere Lösung ohne Krieg gegeben hätte [...]. Hat der „Sieg“ eine Lösung der Konflikte, um derenwillen angeblich Krieg geführt worden ist, näher gebracht? Wie können Morde an Menschen im Namen der Menschenrechte und der Moral, auf die sich die Kriegsführenden und die Autoren berufen, gerechtfertigt sein? Dieser Krieg hätte eine Verpflichtung zur Solidarität mit allen Opfern sein müssen, so wie es auch viele DemonstrantInnen zum Ausdruck gebracht haben, ohne Aufspaltung der Opfer in die Guten und die Bösen.

Dem Ganzen aber wird zum Schluß die Krone aufgesetzt, als von der künftigen Weltordnung gesprochen wird, im Sinne einer moralisierenden Weltinnenpolitik. Anstatt darüber nachzudenken, inwieweit der Krieg mitverschuldet worden ist, soll hier — der „Sieg“ rechtfertigt dem Anscheine nach den Krieg — eine neue Weltordnung definiert werden, natürlich ausgehend von der Ersten Welt (neokolonial denken — global schießen). Hier stricken Brumlik/Hausmann ein dem Zeitgeist angepaßtes Legitimationsmuster, um die Überlegenheit der „westlichen Werte“ und ihre „Zivilität“ zu rechtfertigen. Die Krisen in der Dritten Welt soll die Erste Welt mit ihren finanzstarken Ökonomien sowie den militärischen Eingreiftruppen bewältigen, wenn nötig sogar blutig „zivilisieren“.

Gerade die Interessen der Ersten Welt sind an Krisen und Zuständen in der Dritten Welt ursächlich wesentlich mitbeteiligt. Bei der moralisierenden Weltinnenpolitik geht es um nichts anderes, als um die Manifestierung des herrschenden Systems, auf der Welt moralisch jetzt legitimiert durch solche „Vordenker“ wie Hausmann/Brumlik/Diner. Sie befinden sich dabei in guter Gesellschaft, denn nächstes Jahr am 12.Oktober 1992 feiert die Erste Welt eine 500jährige mörderische Geschichte, die Entdeckung Amerikas. Mit dem Wiederaufleben der bevormundenden Hilfsmentalität nach dem Motto nur die „entwickelten Nationen“ können den Armen helfen, und wenn es sein muß mit einem gerechten Krieg, soll dem Kolonialismus ein neues, zeitgemäßes Gesicht in humanitärer Verpackung verpaßt werden, damit hier an den bestehenden Verhältnissen nichts geändert werden muß. Peter Konrad, Peine