: Frauen und Friedensforschung
■ betr.: "Kleinkrieg in der Friedensforschung", taz vom 5.12.91
betr.: „Kleinkrieg in der Friedensforschung“ von Ulrike Helwerth, taz vom 5.12.91
Die Autorin des Artikels behauptet, „die Benachteiligung von Frauen, das bestätigen Wissenschaftlerinnen aus allen Friedensforschungsinstituten, hat System“. Als Beleg für diese Behauptung wird unter anderem die „hierarchische, geschlechtsspezifische Arbeitsteilung“ angeführt, die sich darin ausdrücke, daß sich Männer eher mit prestigeträchtigen „harten“ Themen befassen und damit auch bei Institutsleitungen und Geldgebern reüssieren, während Frauen eher zu den „weichen“ Themen, dem sogenannten „subjektiven Faktor“ tendieren, wofür sie auf Macht und Dominanz zu verzichten oder gar mit Kündigungen zu rechnen haben.
Seit Erscheinen dieses Artikels sehen wir, allesamt Wissenschaftlerinnen am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), die allerdings von Ulrike Helwerth nicht befragt worden sind, uns einer Reihe von Fragen zur Benachteiligung von Frauen am IFSH ausgesetzt, zu denen wir hier Stellung nehmen wollen.
1.Es läßt sich sicher belegen, daß sich in der Friedensforschung Männer häufiger als Frauen mit sogenannten „harten“ Themen wie Militärstrategie, außenpolitischen Konzeptionen und rüstungsökonomischen Fragen befassen, während Frauen eher zu sogenannten „weichen“ Themen tendieren. Doch es fällt uns schwer, uns und unsere Arbeitsschwerpunkte in das allzu grobe Schema „hart-weich“ einzuordnen. Wir befassen uns mit amerikanischer Nuklearstrategie, Friedenserziehung, Einbeziehung der Sowjetunion in den europäischen Integrationsprozeß, Nationalitätenkonflikten in der Sowjetunion und Friedensstrategien für Regionalkonflikte in der Dritten Welt. Wenn wir solche Themen erforschen, impliziert das selbstverständlich keine Stellungnahme gegen die Notwendigkeit von Frauenforschung.
2.Es trifft zu, daß keine von uns das „Geschlechterverhältnis“ sowie das „Verhältnis von Frieden und Geschlecht“ zum Mittelpunkt ihrer Arbeit gemacht hat. Wir können daher auch nicht wissenschaftlich begründet Stellung zu der Aussage beziehen, daß das „Geschlechterverhältnis“ einen wichtigen oder gar den „wichtigsten Gewaltfaktor“ in einer Welt darstellt, in der das Jahrbuch Frieden 1991 für den Zeitraum Juli 1989 bis Juni 1990 41 Kriege zählt. Ohne auf die Frage einzugehen, ob es sich bei der „weltweiten Kriegslogik“ um eine „männliche“ handelt oder nicht, beanspruchen wir gleichwohl, in unseren Arbeitsprojekten diese Logik in Frage zu stellen. Wir verstehen unsere wissenschaftliche Arbeit als Beiträge zur Entwicklung von Strategien friedlicher Konfliktbewältigung in einer friedlosen Welt.
3.Unbestritten ist, daß Frauen in den Leitungsgremien der wissenschaftlichen Einrichtungen und Forschungsförderungsinstitutionen unterrepräsentiert sind. Es wäre verwunderlich, wenn die Dominanz der Männer in den wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsgremien sich nicht auch in der Wissenschaft wiederfinden würde. Natürlich muß das anders werden. Doch am IFSH hat keine von uns Benachteiligungen erfahren, die darauf zurückzuführen wären, daß „bei den Forschungsprioritäten Erfahrungsbezüge und Weltsichten von Männern dominieren“. Wir konkurrieren bei der Besetzung und Verlängerung von Stellen und der Vergabe von Geldern natürlich auch mit Männern. Wir haben am IFSH in keinem uns betreffenden Fall die Erfahrung einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung machen müssen.
4.In der Tat hat sich die Friedens- und Konfliktforschung in ihren Anfängen als eine sehr herrschaftskritische, basisorientierte Wissenschaft präsentiert. „Herrschaftskritik“ und „Basisorientierung“ liegen unserer Meinung nach vor, wenn Friedensforschungsinstitute wie das IFSH konkrete friedliche Alternativen zu der herrschenden Unvernunft von machtpolitischen und militärischen Drohstrategien, Waffenexport und Rüstungsmodernisierung entwerfen und auf diese Weise einen Beitrag zur Entwicklung alternativer Expertise in der Friedensbewegung leisten. Wir „beraten“ diejenigen, die in diesem Sinne „politisch“ sind, sowohl „unten“, in den lokalen Friedensgruppen, als auch „oben“, in den politischen Eliten. Wir bringen wissenschaftlich erarbeitete Argumente und Positionen in die politische Diskussion um Friedens- und Konfliktlösungsstrategien ein. Wir hoffen, daß eine breite und qualifizierte Bewegung für den Frieden dafür sorgt, daß „männliche Politiker in den internationalen Entscheidungszentren“ an unserer Arbeit nicht vorbeikommen. Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg i.V. Claudia Schmid, Margret Johannsen, Anna Krelkemeyer, Ursel Schlichting
Liebe Frau Helwerth, in Ihrem Artikel haben Sie mich als Geschäftsführerin der AFK pointierter zitiert als ich dies Ihnen gegenüber formuliert habe: In der sechsten und letzten Spalte steht, ich würde bemängeln, „daß sich dieser Vorstand nie in die ,Instituts-internen Konflikte‘ eingemischt... habe.“
Ich habe in dem Telefongespräch mit Ihnen weder das Wort nie noch das Wort eingemischt gebraucht, sondern vielmehr sinngemäß gesagt, daß dieser Vorstand zu den institutsinternen Konflikten zu wenig Stellung bezogen hat.“
[...] Der Vorstand der AFK erachtet eine Korrektur für notwendig, wobei ich den einzelnen Vorstandsmitgliedern anheimstelle, dies dann zu tun, wenn sie der Auffassung sind, daß die Geschäftsführerin dem Ruf des Verbandes durch das Falschzitat geschadet habe. Dr.Regine Mehl, AFK e.V., Bonn
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