: Triumph des Abteilungsgeistes
■ Die Planungen für die archäologischen Museen Berlins
Wenn alles nach den Vorstellungen der Planer der »Stiftung Preußischer Kulturbesitz« geht, kann man sich auf den einen oder anderen Krach zwischen Museologen und Denkmalpflege freuen, die künftig die Museumsinsel erschüttern werden. Der Presse gegenüber gab man sich bescheiden, doch auf einer Veranstaltung im Bode-Museum wurde Tacheles gesprochen, wurden die einschneidenden Veränderungen der inhaltlichen und baulichen Struktur deutlich, die Folge des neuen Konzeptes sind.
Während die kunsthistorischen Abteilungen immer noch zwischen den StandortenKemperplatz und Bode-Museum hin- und hergerissen sind, werden sich die archäologischen auf der Museumsinsel vereinigen dürfen. Im »Alten Museum« von Karl Friedrich Schinkel (1830) werden antike Skulpturen und Vasen gezeigt, im »Neuen Museum« Angust Stülers (1859) werden sich nach dem Wiederaufbau und einer Erweiterung zum Kupfergraben hin die ägyptische Abteilung und Teile der Frühgeschichtlichen Sammlung präsentieren, als Einleitung zu den anderen archäologischen Abteilungen.
Im Pergamon-Museum soll sich künftig neben der antiken Architektur, dem Vorderasiatischen und Islamischen Museum auch die Spätantik-Byzantinische Abteilung befinden, die bisher im Bode-Museum untergebracht ist. Um dem zu erwartenden Massenansturm auf Nofretete und Pergamonaltar zu begegnen, planen die Archäologen einen halbstündigen (!) Kurzrundgang, intern auch »Rennstrecke« genannt. Er wird, vom Kupfergraben ausgehend, an der schönen Königin vorbeiführen, die babylonische Prozessionsstraße passieren und am Pergamonaltar entlangeilen, um nach kurzem Blick auf die Mschattafassade im dann überdachten Ehrenhof des Pergamon-Museums zu enden.Für die »Rennstrecke« sind umfangreiche Veränderungen vor allem des Pergamon-Museums notwendig. Ein vierter Flügel, der propagandistisch den Planungen Alfred Messels von 1910 zugeschrieben wird, soll den bisher zur Stadt hin geöffneten Ehrenhof abschließen. Ein Dach soll ihn zusätzlich zum gigantischen Foyer à la Pyramide des Grand Louvre in Paris verwandeln.
Die Mschattafassade, als Endpunkt der »Rennstrecke«, muß vom Obergeschoß des Südflügels, wo sie bisher in die Ausstellung islamischer Kunst integriert ist, in das Hauptgeschoß des zum Bode-Museum hin gerichteten Nordflügels versetzt werden. Die Demontage des seit dem Bombenvolltreffer höchst fragilen Gebildes wird begründet mit »dem Gefühl, daß Architektur ebenerdig stehen muß«. Für das Erleben der Achsialität soll ein großer Wanddruchbruch zum Ehrenhof sorgen. Um die Trennung der islamischen Sammlung von ihrem Prunkstück nicht allzu deutlich werden zu lassen, wird sie ebenfalls in das Obergeschoß des Nordflügels versetzt.
Neben den massiven Eingriffen in die denkmalgeschützte Struktur des Pergamon-Museums wird die einzigartige Verbindung von Islamischen und Vorderasiatischem Museum im Südflügel zerstört. Die beiden sind durch gemeinsame Ausgrabungen miteinander verbunden und praktische Illustration des Begriffs »Kunstlandschaft« — hier angewendet auf den Vorderen Orient. Architektonisch sollte diese »Landschaft« durch weite Loggien vom Islamischen Museum zur babylonischen Prozessionsstraße Ausdruck finden. Jetzt wird statt historischer Aufklärung der Fetisch »Kunst« hochgehalten, bestimmen Vermarktungsstrategien die Konzeption der Museen.
Um den Kniefall vor den Verwertungsinteressen der Tourismusindustrie zu rechtfertigen, verweisen die Planer auf den »Individualtouristen«, der die Möglichkeit erhalten soll, jedes Haus einzeln zu betreten. Berliner scheinen — nimmt man diese Argumentation ernst — nicht ins Museum zu gehen. [Warum auch? Die fahren doch U-Bahn! d. säzzer] Der Haupteingang für diese »Individualtouristen« soll vom Alten Museum aus erfolgen. Um dessen zentrale Kuppelhalle vom Verkehr zu befreien und das einst offene Treppenhaus in das Museum einzubinden, glaubt man, die höchst umstrittene Glaswand zwischen den Säulen des Stammhauses der Berliner Sammlungen beibehalten zu müssen. Bloß die Form soll geändert werden. Die jetzige sei »das beste Argument gegen eine Verglasung«. Intern gibt es heftige Kritik an dem »Rennstrecken«-Konzept, doch da die Platzbedürfnisse aller beteiligten Abteilungen befriedigt werden müssen und man nicht ein Bild der Zerstrittenheit bieten möchte wie die Kunsthistoriker, wird bisher alles unter den Teppich gekehrt. Eine Rolle spielt wohl auch die Hoffnung, daß sich das Megaprogramm schon aus finanziellen Gründen nicht realisieren lassen wird. Vor allem die Isolierung der Abteilungen voneinander, nur durchbrochen durch einige Themenausstellungen wie Glaube, Tod, Alltagsleben und so weiter, und der Ausschluß des Bode-Museums mit den kunsthistorischen Beständen aus dem Konzept trifft auf Widerstand. So möchte mancher lieber die Spätantik-Byzantinische Sammlung in den Nordflügel einziehen lassen, die den logischen Übergang etwa zu einer Mittelalterausstellung im Bode- Museum bieten könnte. Die Verlagerung der Islamischen Sammlung und der Mschattafassade könnte so vermieden werden — und das Phänomen »Rennstrecke« wäre vom Tisch. Man sollte die Fehler des Grand Louvre vermeiden und statt auf die »Besucherautobahnen« auf die Bildungsaufgabe des Museums setzen. Dafür wäre allerdings ein Gesamtkonzept für alle Museen und Gebäude der Museumsinsel notwendig, was heißen würde, daß zum Beispiel auch die Platzbedürfnisse der Nationalgalerie mit ihrer Sammlung des 19. Jahrhunderts berücksichtigt würden. Doch solange die Stiftung Preußischer Kulturbesitz weiterhin in ihrer Intimfeindschaft zum Bode-Museum, ihrer Betonung der Abteilungsautonomie in den Ausstellungen und dem Divide et Impera zwischen Kunsthistorikern und Archäologen verharrt, wird in Berlin nie mehr als ein Abklatsch Pariser Modelle herauskommen. Nikolaus Bernau
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