Nur zur Weihnachtszeit

■ Ausverkauft: Drunter und Drüber / Jagdszenen aus einer Spielzeuglandschaft

Man erkennt ihn am falschen Halbtonschritt im Grundakkord: Den Aushilfsstudenten, der in der Spielwarenabteilung die Heimorgeln vorführt. Das ist der ungebrochene Lebensmut der Jugend, der da auch nach vier Wochen Weihnachtsgeschäft „In the mood“ intoniert und dabei lässig in den Knien wippt. Wen stört schon die etwas holperige Melodieführung, wenn so viele schöne Knöpfe am Keyboard blinken? Das Auge hört mit.

Nur zur Weihnachtszeit okkupieren Spielzeugabteilungen ganze Stockwerke weitläufiger Kaufhäuser. Das Kindervolk strömt, juchzt und lächzt: Ein Platz am Gameboy ist auch in unmittelbarer Nähe unseres schon oben eingeführten Aushilfsstudenten mehr Wert als alle Sonnen der Welt. Es ist Donnerstag vor Weihnachten, und was aus der Heimorgeln dröhnt, ist nichts als die Wahrheit: Die Kids sind ‘In the mood'.

Wer hier mit Ansehen darf, wie konzentriert unsere Jugend ans Werk geht, der braucht sich um die Zukunft nicht zu sorgen. Verfolgen wir beispielsweise diesen Dialog am Gear-Game:

Kannst Du mir das Spiel erklären?

Ja.

Wie funktioniert es denn?

Du mußt drei gleiche in eine Reihe kriegen.

Drei farbgleiche?

Ja.

Wo kommen die denn her?

Von oben!

Immer gleich schnell?

Nein.

Und die Anordnung?

Ja?

Senkrecht, waagerecht und diagonal?

Ja.

Mal von der etwas abschweifenden zweiten Antwort abgesehen, gibt die digitale Eloquenz des Jungen zu den besten Hoffnungen Anlaß. Fachleser dieses kurzen Dialoges werden längst erkannt haben, daß unser kleiner Software-Spezialist eine Art Kubickschen Würfel auf Mattscheibenformat bearbeitet. Drei unterschiedlich farbige Rauten, die vermittels eines angedeuteten Schattens dreidimensional über den Bildschirm fliegen, sind so zu steuern, daß bei ihrer Landung am Boden des Bildschirms drei farbgleiche Rauten nebeneinanderliegen. Die einfühlsame Heranführung des Fragers an die komplizierte Welt des Computers und seinen elektronischen Geheimnissen vollzieht sich unter den einfach strukturierten, leicht verständlichen Antworten des Jungen ganz ohne pädagogische Zwänge.

Der Aushilfsstudent ist immer noch ‘in the mood‘, driite Strophe der Instrumentalversion. Aber der interessierte Papa bleibt skeptisch. Inzwischen ist auch die Propagandistin eines Plüschtier-Betreibers in den engeren Beraterkreis mit aufgenommen worden. Ob das etwas ist für den Jungen? Rein zufällig hat sie einen kleinen Esel in der Hand, den sie aber unauffällig vor die Nase des kleinen Geschwisterkindes stellt.

Die Kollegin aus dem Haus bedauert, daß das Spiel des Jahres bereits ausverkauft ist. Im Regal liegen wieder tausend aufgerissene Schweißfolien herum, etwas weiter weg vom Stand der Heimorgeln hört man ein liebliches „Oh du fröhliche“ aus den Kaufhauslautsprechern. Jeder Mensch hat bekanntlich zwei Ohren. „Drunter und Drüber“, sagt die Verkäuferin, und meint nicht ihre Abteilung, sondern das Spiel des Jahres. mad