: Musikalische Rituale
■ Eine Vorschau auf die ernsten Klänge vor, an und nach den Festtagen: Steffen Seifferling empfiehlt »Alte Musik«
Das Programm um Weihnachten und Neujahr quillt von Barockmusik derjenigen Art über, die mich in ihrer leichten Konsumierbarkeit an Sahnetörtchen erinnert (Festliche Klänge des Barock).
Auch zu den unvermeidlichen Wiederholungen derselben Stücke ist nichts weiter zu sagen. Denen allerdings, die das Weihnachtsoratorium von Bach noch nicht kennen, möchte ich aus der Menge der Aufführungen eine unter Leitung des Oboisten Burkhard Glaetzner empfehlen (Schauspielhaus, 21.12., 19 Uhr). Ein Konzert ist eben nicht nur die Aufführung von Musik, sondern auch ein Ritual unter Mitwirkung aller Beteiligten.
Hinzuweisen ist da exemplarisch auf Beethovens Neunte mit der Staatskapelle unter D. Barenboim (Deutsche Staatsoper, 30. 12., 19.30 Uhr, und 31. 12., 21 Uhr), der als musikalischer Leiter der Staatsoper angekündigt hat, mit seinem Orchester regelmäßig Sinfoniekonzerte zu veranstalten.
Als Inbegriff gutbürgerlicher (Musik-)Kultur paßt die Neunte zum Datum wie nichts sonst — aber es gibt ja noch drei Sätze vor der »Ode an die Freude«, der nicht entgegenzufiebern fast unmöglich ist. Wer dafür keine Karten mehr bekommt, kann es schon bei der Aufführung des Sinfonie-Orchesters Berlin unter B. Iwanov (Kammermusiksaal der Philharmonie, 27. und 28.12., beide Tage 20 Uhr) versuchen.
Mehr nach Pfeffernüssen als nach Sahnetörtchen klingt das Programm mit demselben Orchester und der Sopranistin G. Bradley unter A. Francis, das in Humperdincks Vorspiel zu Hänsel und Gretel und Tschaikowskis Nußknackersuite gipfelt (SFB, Großer Sendesaal, 26.12., 16 Uhr). Etwas deftiger dürfte schon schmecken, was ebenfalls das SOB unter J. Malat bietet: Werke von Chatschaturjan, Rachmaninow, weiter solche Leckerbisssen wie Dvoraks Violinenkonzert und Sinfonie aus der neuen Welt (Kammermusiksaal der Philharmonie, 25. und 26.12., 20 Uhr).
Die Solokonzerte zweier sehr gegensätzlicher Cembalisten bieten in ihrer Beschränkung vielleicht einen wohltuenden Gegensatz zum vorherrschenden festlichen Orchester- Pomp. G.Kastner, einer der maßgeblichen Gründungsväter der Berliner Alte-Musik-Szene, wird ein Programm aus Stücken von Attaignant, Bull, Cabezon und anderen mit seinem beeindruckenden Appeal prägen (Theaterforum Kreuzberg, 20. und 21.12., jeweils 20 Uhr).
R.Alpermann, ungefähr 30 Jahre jünger, aufstrebend und viel auf Solotournee unterwegs, bietet eine virtuose Mischung aus J.S. und C.Ph. Bach, Scarlatti und anderen (Theater im Palais, 21.12., 20 Uhr).
Eine glückliche Verbindung von Raum und Musik gehen zwei Konzerte auf historischen Instrumenten im Schloß Friedrichsfelde ein. Dem frühklassizistischen Saal entsprechend, spielt das Ensemble Sans- Souci mit dem Solisten Ch. Hunthgeburt Flötenquartette von Mozart (29.12., 17 Uhr), während die Formation Arcantar mit der Blockflötistin F. Rauterberg Concerti von Telemann, Naudot und Scarlatti zum besten gibt (21.12., 17 und 20 Uhr, Reservierungen unter Telefon: 9/5100111).
Zum Schluß noch ein Hinweis für Ausflügler und Weihnachtsfans auf ein Konzert im Berlin-nahen Treuenbrietzen, das ebenfalls stylish zu werden verspricht. Die dortige Marienkirche enthält eine Orgel aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit sehr hörenswertem Klang, die K. Eichhorn kundig betätigen wird. Sein Chor Capella Cantorum aus einigen Männern und Knaben singt dazu alte Weihnachtslieder (22.12., 16 Uhr).
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