Die halbe Stadt muß kotzen

■ Eine harmlos-heftige Magen-Darm-Grippe inkommodiert Zehntausende von BerlinerInnen/ Hoher Krankenstand von BVG bis taz/ Ein Betroffenheitsbericht aus der Berliner Lokalredaktion

Berlin. Zehntausende von BerlinerInnen kotzen sich derzeit die Seele aus dem Leib. Nein, diesmal ist weder die schwarz-rote Koalition noch ein allgemeiner Weltekel daran schuld, sondern der Erreger einer Magen-Darm-Grippe. Besonderes Merkmal des ansteckenden Virus: Es wütet zwar heftig, aber kurz. In den meisten Fällen währen die Symptome — Erbrechen, Durchfall, Magenkrämpfe, Schwindel- und Schwächegefühl — nur 24 Stunden lang.

Dennoch treibt er den Krankenstand in die Höhe — von den Berliner Verkehrsbetrieben bis zur taz. Bei der BVG sind derzeit rund 15 Prozent der MitarbeiterInnen krankgeschrieben, in anderen Betrieben dürfte es kaum besser aussehen. Und in der taz-Lokalredaktion wird bereits täglich gewettet, wer denn heute ausfällt. Kommt ein Kranker aus dem Bett zurück in die Redaktion gekrochen, krümmt sich garantiert schon die nächste Reporterin oder wenigstens ihr Geliebter zu Hause, der ihr den Virus weitergeben wird. »Beschissen im wahrsten Sinne des Wortes habe ich mich gefühlt«, berichtet eine überlebende Redakteurin. »Am liebsten hätte ich sterben mögen. Nach einem Tag Reihern habe ich mich gefühlt, als sei ich 90, meine Knie schlotterten, ich war völlig erschöpft«, erzählt die Ärmste.

Selbst der Arzt, den die taz zwecks Recherche anrief, klagte über akuten Durchfall. Dennoch sprach er beruhigende Worte: Grippale Effekte im Magen-Darm-Trakt verliefen in den allermeisten Fällen harmlos. Mehr als ausruhen und leichte Kost zu sich nehmen, könnten und müßten die Kranken nicht tun: »Tee und Zwieback oder gekochter Reis sind zu empfehlen und gegen den Durchfall vielleicht auch ein geriebener Apfel — das darin enthaltene Pectin dickt ein.« Bei kleinen Kindern allerdings sei größere Vorsicht geboten, weil sie bei Durchfall richtiggehend austrocknen können.

Wie denn nun aber das böse Virus heißt, diese Frage konnte auch das Landesmedizinaluntersuchungsamt nicht beantworten. Noch nicht: »Wenn wir ein Virus anzüchten, dauert es ganz einfach zwei bis drei Wochen, bis wir ein Ergebnis haben«, so Dr. Sucker, Vizechef des Amtes. Außerdem, bedauerte er, fehle ihnen bei solcher Art von Epidemien oft das Untersuchungsmaterial, »weil uns die freipraktizierenden Ärzte nichts einschicken.«

Interessierten, die sich vielleicht gerade ganz betroffen im Bett wälzen, sei dennoch verraten, daß sie womöglich einem Entero-Virus oder auch einem Rota-Virus zum Opfer gefallen sind. Allein unter den 17 bis 28 Nanometer großen Entero-Winzlingen gibt es rund 70 verschiedene Stämme, die allesamt für eine hübsche Darminfektion sorgen können. Übertragen tun sie sich etwa durch gemeinsame Kaffeetassen- oder Toilettenbenutzung. usche