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KOSLOWSKIS GITTA PLAUDERT VOM SOFA

Schaller und ich wollen nach Amerika fahren, und da hat dieser Trottel doch tatsächlich keinen Paß! Ganz groß guckt er mich an, als wenn er das Wort noch nicht mal gehört hätte... „Ihr Ostler könnt einen krank machen“, sage ich, „von nix habt ihr Ahnung, schlimmer als die Russen. Die sind ja noch auf Zack. Hast du gehört, was die auf eurem Deutschlandsender Kultur gebracht haben? Wenn Deutschland ganz viel Essenspakete nach Rußland bringt, wollen sie uns den Tatter-Erich schicken — Schwerter zu Pflugscharen und Brot für Erich.“ Ganz still ist er jetzt, mein Schaller, überlegt eine Weile und muckt dann auf: „Aber euer Karsten Voigt, der ist auch nicht ganz so schlau, was? Da steckt er einen weg mit 'ner DDR-Journalistin und fällt aus allen Wolken, daß sich dafür unsere Firma interessiert... Dann bieten sie ihm noch an, sie ausreisen zu lassen, das will er aber auch wieder nicht — da hätte er sich vielleicht vor seinen Kollegen geschämt. Und welche Geheimnisse hätte der denn überhaupt ausplaudern können?“ — „Lenk nicht ab, du Versager“, schnaube ich, „anstatt daß ihr froh seid, daß man sich um euch kümmert, seid ihr nur am Jammern, bestellt alle Neckermann- und Otto- Kataloge rauf und runter, wundert euch, daß ihr bezahlen sollt, und werdet dann Gerichtsvollzieher, so seid ihr nämlich: charakterlos bis zum Geht-nicht-mehr.“ Gott sei Dank, jetzt schreit er wieder: „Hah! Geld, Geld, Geld — das ist das einzige, woran ihr denken könnt, ihr bigotten Speckmaden. Die Frau hat den geliebt, verstehst du, und die war im Konflikt mit ihrer ganzen Identität — aber das ist ja ein Fremdwort für euch arrogante Super-Wessis!“ — „Ihr solltet euch mal allmählich ein anderes Eigenschaftswort für uns ausdenken“, antworte ich kühl, „arrogare heißt lediglich, etwas für sich beanspruchen, und das hat etwas mit ganz natürlicher Intelligenz zu tun. Wenn ihr die nicht habt, dann ist das mit Sicherheit nicht unsere Schuld. Außerdem würde ich an deiner Stelle mit dem Begriff Liebe auch etwas vorsichtiger umgehen, davon haben die wenigsten Ahnung, sowohl im Osten wie im Westen — sie verwechseln es meistens mit dem, wie Posidonius so nett ausdrückte: ,Einanderreiben zweier Fleischteilchen‘.“ Sofort rennt mein Ostler nach nebenan, kommt mit Yourcenars Erinnerungen des Kaisers Hadrian zurück und liest: „Bei einem Moralisten bin ich auf alles gefaßt, aber daß der Zyniker sich so irren kann, wundert mich. Vieleicht fürchten beide den Dämon in ihrer Brust (...) und suchen den Rang der Liebe hinabzusetzen, um ihr dadurch die furchtbare Gewalt zu nehmen, der sie zu erliegen drohen. Ich werde für meinen Teil an die Gleichsetzung der Liebe mit den rein körperlichen Freuden erst dann glauben, wenn ich einen Freßsack vor seinem Lieblingsgericht so vor Verzückung schluchzen höre wie einen Liebenden. Von all unseren Spielen ist die Liebe das einzige, was die Seele in ihrem Gleichmaß erschüttert. Der Trinker braucht nicht unbedingt seinen Verstand auszuschalten, aber der Verliebte, der den seinigen bewahrt, leistet seinem Gott nicht bis zum Ziel Gefolgschaft.“

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