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Ruhiges Silvester trotz Krawallen

■ In Kreuzberg warfen 200 Randalierer Scheiben ein und beschossen Polizisten mit Silvesterraketen/ Nur 4.000 Leute am Brandenburger Tor

Berlin. Keine Schwerverletzten und keine Großbrände — Silvester verlief ruhiger als in den vergangenen Jahren. Nur im Bezirk Kreuzberg kam es zu einem Großeinsatz der Berliner Polizei.

Etwa eine Stunde vor Jahreswechsel sollen Unbekannte in der Adalbertstraße Steine geworfen haben, berichtete gestern ein Mitarbeiter des Lagedienstes der Polizei. Unter einem knallroten Mao-Tse-tung- Transparent, daß die Splitter-Splitter-Politsekte TKP/ML im vierten Stock über die Straße gespannt hatte, kam es zu Krawallen.

Sperrmüll-Möbel wurden auf die Straße gezogen und angezündet. Die anrückenden Polizisten wurden mit Knallkörpern und Steinen beworfen sowie mit Silvesterraketen beschossen. Fensterscheiben von Läden sollen zu Bruch gegangen sein, doch gestern nachmittag waren keine Spuren der nächtlichen Unruhe mehr zu sehen.

An den Randalen haben sich nach Polizeiangaben insgesamt 200 Personen beteiligt. Die uniformierte Ordnungsmacht konnte die Lage bereits nach den ersten zweieinhalb Stunden im neuen Jahr beruhigen. Neben mehreren Wasserwerfern setzten die 250 Beamten auch Tränengas ein. 22 Personen wurden festgenommen, die die Polizei zum harten Kern der Autonomenszene rechnet. Bei dem Einsatz wurden 14 Polizisten verletzt, eine Beamtin wurde durch einen Knallkörper im Gesicht getroffen und mußte im Krankenhaus stationär behandelt werden.

Aber nicht nur die 200 unverbesserlichen Randalierer versuchten Vorgestriges zu ritualisieren — auch 4.000 Berliner wollten zum unzähligen Male die spontane Maueröffnung vom 9. November 1989 am Brandenburger Tor nachfeiern. Stimmung kam an der Möchtegern- Kultstätte nicht auf.

Auch manche Polizisten scheinen ein bedenkenswertes Verhältnis zur Feier am Jahreswechsel zu haben. Christian F., Anwohner am Kreuzberger Wassertorplatz, mußte sich am frühen Abend von den Polizisten mit Böllern bewerfen lassen. Seinem Bericht nach habe eine ganze Hundertschaft »geknallt« und dabei Passanten gezielt mit Pyrotechnik belästigt.

Die Feuerwehr ist jedenfalls froh, daß die Massen am Brandenburger Tor und anderswo ausblieben. Wenn es dort zu einem Großeinsatz wie 1989 gekommen wäre, »hätte es eine Katastrophe gegeben«, gestand Helmut Wudke vom Lagedienst der Feuerwehr ein.

In den 30 Stunden bis gestern um sechs Uhr morgens mußten knapp 1.900 Einsätze gefahren werden — doppelt so viele wie im vergangenen Jahr, schätzte der Brandamtsrat. Zwischen 23.30 Uhr und 4.30 Uhrwar bei der Feuerwehr der Ausnahmezustand ausgerufen worden, weil alle Wagen im Einsatz gewesen waren. 428mal hat es in den 30 Stunden gebrannt, 180 Feuer hätten sich mit Sicherheit durch Knaller und Raketen entzündet.

741 veletzte und hilflose Personen sammelten die Sanitäter mit ihren Rettungsfahrzeugen ein. 22 Leute hatten sich die Hände verbrannt oder die Augen verblitzt — Schwerverletzte habe es aber nicht gegeben, berichtete Feuerwehrmann Wudke. Größter Löscheinsatz sei auf einer S-Bahn-Baustelle in Frohnau gewesen, wo 20 Kubikmeter Bahnschwellen und zwei Baucontainer gelöscht werden mußten. Dirk Wildt

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