: Kunst-Botschaften von Maria
■ »Wie kam Maria zu dem Kinde?« — Fräuleins in der Galerie Art Acker
Armer Joseph — wie muß dem Mann zumute gewesen sein, als er feststellte, daß seine Verlobte Maria schwanger war von einem anderen! Um den Betrogenen vor Zornesausbrüchen mit unabsehbaren Folgen und um Maria vor dem Schicksal von Legionen verstoßener Frauen bei ähnlichem Delikt zu bewahren, mußte eine höhere Instanz eingreifen, die Schuld auf sich nehmen und dem profanen Geschehen eine höhere Weihe verleihen. So kam ein Engel des Herrn und erklärte es Joseph im Schlaf. Dem war's dann gleich ganz plausibel — was kein Wunder ist, waren doch Weissagungen und Gesichte damals, was heute Radio und Fernsehen sind.
Aber nicht um Josephs Träumereien — die, wie angedeutet, den vorehelichen Zwist zum Guten wendeten —, sondern um das, was Maria widerfuhr, geht es in der seit Weihnachten laufenden Ausstellung der Galerie Art Acker. Maria wird ja auch nicht schlecht gestaunt haben, wie der Herr da die Erlöser-Information seines göttlichen Samens mitten in sie einpflanzte — ohne daß ein Tropfen von irgendwas floß oder gar ein Häutchen riß. Die Jungfrau als Mutter, Informationsübermittlung ohne Reibungsverluste — das Dumme an dieser Mär, an der Geschichte ist, daß in ihr die Ablehnung weiblicher Sexualität und die Idee des Aphysischen im allgemeinen fixiert sind. Auch das mit einer Pointe: Die »heilige Jungfrau« Maria hat nach der Bibel ihr erstes sexuelles Erlebnis nicht mit einem Mann, sondern mit der eigenen Leibesfrucht. Die katholische Kirche hat vergessen, das Dogma der »Unbefleckten Empfängnis« um das der »Unbefleckten Geburt« zu ergänzen.
»Wie kam Maria zu dem Kinde?« — Die rhetorische und auf die ironische Dekonstruktion eines zum Dogma erhobenen Mythos zielende Frage läßt den an der Ausstellung beteiligten KünstlerInnen jeden erdenklichen Freiraum. So ist der Bezug zum Thema offen bis fragil. Einer sprachlichen und kulturgeschichtlichen Assoziation folgend, hat Katharina Pfaller in ein Christenkreuz Quadrate mit Fleckenspray- Dosen gesetzt — ins Zentrum aber einen roten Punkt auf weißem Feld. Der inneren Verstrickung von Perfektions- sprich Reinlichkeitsideal, zwischen Phallokratie und Analfixierung (»Entscheidend ist, was hinten rauskommt«, Kohl) ist Markus Schneiders Installation aus Plastik-Toilettenaccessoires gewidmet.
Der notwendig denkbaren erotischen Fixierung Mariens auf den Sohn geht Claudia Reinhardts Heiligenbildnis nach. Maria, ans Kreuz ihres Begehrens gekettet, trägt auf der Brust ein Sticker-Herz mit der Aufschrift: »Fuck Jesus!« Die Doppeldeutigkeit, die in der Umgangssprache wie in der Ambivalenz des Blickes angelegt ist, kommt einem entgegen: in den koketten Unterflächenprojektionen von Christin Lahr, bei denen die Wahrnehmung sich selbst zum Thema macht, in der frucht- und tiersymbolischen Skizze von Nana Petzet, dem Schaltplan göttlichen Einfahrens Ina Wudtkes und den Topf-Deckel-Variationen von Kumiko Shimizu.
Der reinen Botschaft Gottes stehen codierte Antworten im Non- Standard entgegen. Übrigens werden die KünstlerInnen ihre Arbeiten in diesem Jahr, innerhalb der Ausstellungsreihe Fräuleins bei Art Acker, ausführlicher darstellen. gam
Wie kam Maria zu dem Kinde? — Auftakt zu Fräuleins bei Art Acker. Ackerstraße 18, Mitte, Fr 16-20, Sa-So 11-14 Uhr. Nur noch bis Sonntag!
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