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Out of Control

■ Das Modell Rabta als Dritt-Welt-Exportschlager/ Die Pläne für eine Chemiewaffenfabrik sollen mittlerweile auch an den Iran verkauft worden sein

Als im Januar 1989 Fachleute der Oberfinanzdirektion Freiburg bei der Imhausen-Chemie eine Außenwirtschaftsprüfung vornahmen, entging ihnen zweierlei. Erstens: Sie konnten keinen Hinweis darauf finden, daß das Lahrer Unternehmen eine komplette Giftgasfabrik nach Libyen geliefert hatte. Peinlich genug. Zweitens: Noch während die Finanzbeamten im Büro Jürgen Hippenstiel-Imhausens Akten wälzten, wurden in einem anderen Raum die letzten Feinarbeiten an den Plänen für eine zweite Kampfstoffanlage ausgeführt. Pharma 150, so der Projektname für Rabta, diente als Vorlage. Das neue, leicht modifizierte Modell erhielt die fortlaufende Numerierung Pharma 200.

Es dauerte immerhin über ein Jahr, bis die Staatsanwaltschaft Wind von dem zweiten Projekt bekam. Seitdem wird auch wegen Pharma 200 ermittelt. Als Standort für diese Anlage machten die Geheimdienste das Wüstenstädtchen Birak in der libyschen Provinz Sebha aus. Nach neuesten Erkenntnissen hat Libyen inzwischen alle Anlagenteile für die neue Anlage zusammengekauft.

Auch Deutsche wollten wieder liefern. Etwa die Firma Rose aus Stuttgart, die 1990 versuchte, eine elektronische Steuerungsanlage, baugleich mit der in Rabta installierten, nach Libyen zu exportieren. Anders als in Rabta fehlt dieses Mal allerdings der deutsche Generalunternehmer. Mit der Verhaftung der Imhausen-Manager platzte für diese das zweite lukrative Geschäft.

Doch ein Nachfolger stand schon bereit. Aus einem BND-Report geht hervor: Der Thailänder U-Thai Thiemboonkit ist der neue Cheforganisator der zweiten Kampfgasfabrik für Libyen. Bei Imhausen ist U-Thai kein Unbekannter. Schon Anfang der 80er Jahre war er bei einem Imhausen-Projekt in Thailand dabei. Damals lieferten die Lahrer eine Kunststoffabrik nach Rayong. Auch in Rabta spielte U-Thai eine wichtige Rolle. Hunderte von Bauarbeitern, fast alles Thais, sowie eine Architektengruppe standen dort in seinem Sold. Sämtliche Rabta-Pläne, so eine Zeugenaussage gegenüber dem SWF, hat U-Thai damals in seinem Büro fotokopieren lassen. Er gilt mittlerweile als einer der Größten im Geschäft mit Rüstungstechnologie im Nahen Osten. Längst zählen nicht mehr nur die Libyer zu seinen Kunden.

Im Frühjahr 1990 reist eine hochrangige Delegation aus dem Iran nach Bangkok. Dort begibt sie sich direkt zur Firma Superchok. Die Emissäre der Mullahs werden vom Chef der Firma persönlich empfangen — von U-Thai Thiemboonkit. Für einen Millionensumme, so melden Geheimdienst-Späher, übergibt er Kopien der Rabta-Pläne. Somit ist nach Libyen auch der Iran im Besitz des deutschen Giftgas-Know-hows. Seitdem läuft der Einkauf. Einen Standort für die Anlage haben die Geheimdienste gleichwohl noch nicht ausmachen können.

Der Deal zeigt: Die Verschärfung der Exportgesetze kommt zu spät. Teile des Know-hows sind bereits heute außer Kontrolle. Die Blaupausen für modernste Giftgastechnik sind schon in der Dritten Welt auf dem Markt — eine weitere, gefährliche Drehung der Proliferations-Spirale. Das Modell Rabta zieht Kreise — auch ohne Imhausen.

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