Unerklärliche Lauge im Atom-Schacht

■ Erkundung des Atommüllagers vorerst gestoppt / Sechs Liter pro Minute

Nach ungeklärten Zuflüssen von Laugenflüssigkeit im Schacht I des geplanten Atommüllendlagers in Gorleben ruht dort die Erkundung. Den endgültigen Stopp der Abteufarbeiten und damit das Aus für das einzige bisher in der Bundesrepublik vorgesehene Lager für hochradioaktiven Atommüll konnte Barbara Mussack, Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums, am Freitag in Hannover nicht ausschließen. Zunächst müsse nach den Ursachen für das „unerwartete“ Austreten der Laugen geforscht werden. Mit mehreren Kernbohrungen sollen in der kommenden Woche die bisherigen Vorkommen der Flüssigkeit untersucht und möglicherweise weitere gesucht werden.

Bis zu sechs Liter Lauge pro Minute waren Mussack zufolge bereits vor den Weihnachtstagen aus zuvor abgedichteten Rissen in den Schacht geflossen. Die Risse zwischen Gebirge und Salz entstünden bei den Abteufarbeiten durch das Gefrieren der Schachtwände und seien mit einer Zementmischung verfüllt worden. In drei Bereichen des zur Zeit 312 Meter tiefen Schachtes sei zu diesem Zweck eine „sehr große Zahl“ von Bohrungen rund zehn Meter tief um den Schacht angebracht worden. Die Zahl der verfüllten Risse, aus denen nun Lauge floß, konnte Mussack nicht benennen. Zur Zeit sei wieder alles dicht.

Die Kernbohrungen sollen bis zu einer Tiefe von 345 Metern reichen. In dieser Tiefe ist auch der Bau der Schachtfundamente vorgesehen. Geforscht werden solle auch nach Querrissen, die oberhalb bereits abgedichtet worden waren und in denen sich deswegen keine Lauge mehr befinden dürfte.

Bei den Arbeiten im benachbarten Schacht II, der zur Zeit gut 250 Meter tief ist, wurden laut Umweltministerium bisher keine Risse verfüllt. Dieser Schacht befinde sich noch nicht so weit im Salz.

Das Bundesumweltministerium bestätigte den Vorgang, betonte jedoch zugleich, daß es sich nicht um eine „dramatische“ Situation handele. Höchst unwahrscheinlich sei das von Gorleben- Gegnern seit langem befüchtete natürliche Austreten von Lauge in diesem Salzstock. Die Arbeiten an der unterirdischen Erkundung des Salzstockes laufen bereits seit 1986. Erst um die Jahrtausendwende wird mit der Entscheidung gerechnet, ob Gorleben tatsächlich als Endlager geeignet ist. dpa