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Wo Müll unter sich bleibt

■ In Britz werden täglich 2.500 Tonnen Abfall gepreßt, bevor sie auf die brandenburgische Mülldeponie in Schöneiche gekippt werden/ Weihnachtsbäume verzögern das Gequetsche

In der Kipphalle des »Abfallbeseitigungswerks Süd« in Berlin-Britz herrscht nicht nur höllischer Lärm, sondern vermischt sich auch der Gestank von Müll mit dem Dieselgeruch der hereinkommenden LKWs. Ununterbrochen rollen die orangen Sechstonner der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) über eine Rampe in die mindestens 20 Meter hohe Halle hinein. Sie ist so groß wie ein ganzes Fußballfeld.

Rückwärts fahren die LKWs auf eine der 13 Kippstellen zu, wie die Öffnungen hier genannt werden. Sie sehen aus wie große, ramponierte Tore einer mittelalterlichen Burg mit ihren von oben herabhängenden Kunststoffstreifen.

Genau davor halten die LKWs, bringen ihre Container in die Schräge, öffnen sich die Klappen. Schließlich rutscht ein undefinierbares Gemisch aus Plastik, Papier, Obst und Gemüse hinab in den Schlund. Ein paar Meter unterhalb sammelt sich der Abfall in den »Müllbetten«. Dann drücken hydraulische Schieber mit 180 bar die Reste der Wohlstandsgesellschaft hinab in den tiefer gelegenen »Müllbunker«. Er faßt 15.000 Kubikmeter. Das schwache, gelbe Licht der Deckenbeleuchtung läßt den Raum noch gespenstischer erscheinen, als er sowieso schon ist. Auf dem Grund sammeln sich ganze Lagen von verbrauchten Autoreifen, auch ein braunes Sofa taucht unter blauen Plastiktüten auf. Über dieser skurrilen Landschaft rollt auf Schienen unablässig einer der drei Kräne hin und her. Sein schwerer Greifer packt sich einen unansehnlichen Klumpen und wirft ihn auf ein Abzugsband. Schließlich landet dieser — für das Auge unsichtbar — in einer der drei Pressen, wo er mit 320 bar Druck zu einzelnen »Stopfen« zusammengedrückt wird. Ein Stopfen wiegt 4 Tonnen, wie Kurt Fitzner, verantwortlicher Leiter der Müllpresse, erklärt. Diese werden anschließend in einen der auf dem Betriebsgelände stehenden Container gedrückt. Fünf Stopfen faßt ein Container, 60 bis 90 können pro Tag aufgefüllt werden, um dann auf die Mülldeponie Schöneiche im Land Brandenburg verbracht zu werden. Wieviel Stopfen in einen Container passen, hängt nicht zuletzt von der »Qualität« des Mülls ab, wie Fitzner erläutert: »Bei Sperrmüll oder bei den Weihnachtsbäumen dauert das Pressen entsprechend länger.« Die Arbeit im vollcomputerisierten Kontrollraum der Presse ist offenbar geruhsam: Neben seinem Arbeitsplatz hat Fitzner ein Schachspiel stehen.

Täglich werden in Britz 2.500 Tonnen Abfall verarbeitet, wie Bernd Schröder, stellvertretender Betriebsleiter erklärt. Allein 1990 kam das Werk, das seit Mitte der siebziger Jahre besteht, auf rund 600.000 Tonnen. Daß über die Weihnachtszeit mehr Müll anfällt als sonst, ist ein weitverbreitetes Vorurteil. Erst ein paar Wochen später, nämlich kurz vor Ostern, steigt die Müllzufuhr in Britz an. Wenn das Wetter besser werde und Privatpersonen und Firmen den »Frühjahrsputz« durchführten, käme der gehortete Müll der Weihnachtszeit zum Vorschein, so Schröder. Verbrannt wird am Standort inmitten des Industriegebietes in Britz nichts, obwohl Ende der achtziger Jahre das Werk als ein Standort für eine der Westberliner Verbrennungsanlagen im Gespräch war. Doch diese Aufgabe wird in der Abfallverbrennungsanlage in Ruhleben wahrgenommen. Dort werden im Jahr 400.000 Tonnen sogenannter Siedlungsabfälle verbrannt.

Der Müll in Britz kommt hauptsächlich noch aus dem Westen, denn die beiden Berliner Stadtreinigungsbetriebe BSR und SRB sind erst seit dem 1. Januar zusammengelegt worden. Noch herrscht eine aus der Vergangenheit stammende Teilung, auch beim Müll. Was im Ostteil der Stadt anfällt, landet zumeist auch direkt auf den Ostdeponien Schöneicher Plan, Schwanebeck und Wernsdorf. Allerdings hat Schröder in der Vergangenheit eine deutliche Zunahme des Abfalls aus Ostberliner Betrieben festgestellt, besonders aus dem nahen Einzugsgebiet um Treptow und Köpenick. Mehr als die täglich zu verarbeitende Menge von 2.500 Tonnen ist in Britz jedoch nicht drin, wie er meint: »Ich kann nur soviel nehmen, wie die Kapazität der Anlage zuläßt.« Severin Weiland

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