: „Ohne Spaß kein guter Sport“
■ Gespräch mit Costinel Stan (38), dem Trainer der rumänischen Volleyballfrauen, dessen Team beim Internationalen Volleyballturnier in Bremen gastiert und knapp mit 2:3 gegen die Deutschen verlor
taz: Costinel Stan, seit zwei Jahren sind Sie nun hauptverantwortlicher Nationaltrainer der Volleyballfrauen in Rumänien. Wie hat sich das Sporttreiben, besonders im Volleyballbereich, verändert?
Costinel Stan: Wir können endlich reisen. Wir haben so lange darauf gewartet, die Einladungen, die wir erhielten, auch anzunehmen. Das war zu Zeiten des sozialistischen Systems völlig undenkbar. Da hat man uns zu offiziellen Meisterschaften rausgelassen, aber sonst kaum. Und selbst dann hatte ich oft das Gefühl, als hielten hinter mir immer irgendwelche Leute die Ohren auf. Aus sportlicher Sicht war diese Isolation natürlich sehr schwierig für uns. Rumänien ist ein kleines Land, wenn wir uns an der Leistungsspitze halten wollen, brauchen wir den regelmäßigen Austausch mit anderen Teams. Aber selbst unter den neuen Umständen ist es schwierig, mein Team zusammenzubekommen.
Wo liegen ihre Schwierigkeiten?
Wir haben in Rumänien noch keinen Professionalismus, das ist eines der Grundübel. Ich kann einfach nicht so disponieren, wie ich will.
Den Volleyball-Professionalismus gibt es hier in Deutschland, aber auch nicht in Reinform.
Was ich meine ist, daß wir uns zur Zeit in einer Phase der Neuorientierung befinden. Wir haben eine große Sporttradition, die es weiterzuführen gilt. Das ist bei uns in der Gesellschaft auch akzeptiert. Aber will ich mit meiner jungen Auswahl Erfolg haben, brauche ich annehmbare Bedingungen. Sehen Sie, jetzt ist es so, daß zwei meiner Spielerinnen im Ausland tätig sind, eine kümmert sich um ihren Ehemann, der einen schweren Unfall hatte. Das sind Bedingungen, die ich auch erst einmal kennenlernen mußte. Und dann fehlt es natürlich an allen Ecken und Enden an Geld.
Gibt es denn überhaupt finanzielle Mittel?
Schon, und glauben Sie mir, sogar mehr als noch im alten System. Die Verantwortlichen in der Regierung wünschen sich gute Sportlerinnen, die unser Land repräsentieren. Aber was heißt schon mehr Geld bei den hohen Preisen? Wenn wir nach Bremen reisen, können wir uns mal gerade leisten, bis Berlin zu fliegen. Den Rest fahren wir mit dem Zug. Das Problem ist doch, daß wir noch keine frei konvertierbare Währung haben. Mit unserem Geld kann man halt wenig kaufen. Wir benötigen hartes Geld vom Sportministerium, vom Verband und natürlich von Sponsoren.
Sie versuchen mit ihrer Auswahl, sich an die Weltspitze heranzuarbeiten. Nehmen wir mal an, Sie bekämen das Geld. Wofür wollten Sie es ausgeben?
Wo soll ich da anfangen? Wir haben zwar noch unsere alte Infrastruktur, Hallen usw., die wir weiterbenutzen können. Aber ich kann ja nicht einmal mein Team für eine angemessene Vorbereitung zusammenziehen. Ich brauche Phasen, in denen ich ausschließlich mit Kaderspielerinnen arbeiten kann. Das geht zur Zeit nicht, schließlich haben alle noch einen Beruf oder studieren. Unter den Spielerinnen hier in Bremen sind zwei Ingenieurinnen und eine Lehrerin. Weiteres Geld wird dringend für die Vereine gebraucht, die zur Zeit ziemlich in der Luft hängen. Denn ohne die Zulieferarbeit aus den Vereinen kann ich doch meinen Laden dicht machen. Wie verzwickt die Lage ist, können Sie daran erkennen, daß trotzdem die Vereine immer noch den Spielerinnen eine warme Mahlzeit pro Tag bieten. Bei den Wahnsinnspreisen für Lebensmittel und der Versorgungslage in Rumänien ist das eine große Hilfestellung für meine Spielerinnen.
Heißt das, daß SportlerInnen in Rumänien immer noch gewisse Privilegien genießen?
In mancher Hinsicht schon, aber das ist relativ. Im Vergleich zu manchem Arbeiter oder Bauern geht es ihnen vielleicht ein wenig besser, aber ohne die Grundbedingungen für ein erfolgreiches Sporttreiben bräuchten wir gar nicht weiterzumachen. Vielleicht hört es sich bei unserer schlechten wirtschaftlichen Lage etwas seltsam an, aber meine Meinung ist: Ohne Spaß gibt es keinen guten Sport. Also ist es unsere Aufgabe, dafür die Voraussetzung zu schaffen. Ich bin ein optimistischer Mann, und die Rumänen sind ein wirklich spontanes Volk. Also schaffen wir das auch. Interview: Jürgen Francke
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