: Ukrainski Kasatschock!
■ Im Lagerhaus anerkannt: „The Ukrainians“ mit einer Art Kalinka für Punks
Wer einmal auf den Radiowellen des Londoner Independent-Papstes John Peel reiten durfte, gilt in der Szene als seliggesprochen. Den „Ukrainians“ aus Manchester wurden 1989, noch unter dem Namen „Wedding Present“, gar zusätzliche Weihen zuteil: Ihre Aufnahme-Session für die „John Peel Show“ ließ der Meister in Vinyl pressen: „Ukrainski Vistupi V Johna Peela“. Ein solcher Ruf verpflichtet.
Der „Kioto“-Initiative bescherte er am Sonntag einen passabel gefüllten Saal im Lagerhaus — und den Versuch, den gemeinen Pogo per Verbindung mit volkstümlichem Schunkeln zu einer Art Tanz aufzuwerten. „The Ukrainians“ spielen nämlich genau das, was Name und Herkunft vermuten lassen: Eine Melange aus osteuropäischem Volkslied und hektischem mittelenglischen Rock-Groove.
Das Umfeld eines „Ukrainian Club“ in Middleton, dessen Leiter sein Vater war, sei es gewesen, welches Pete Solowka, neben Len Liggins und Roman Remeynes der Mittelpunkt der Band, zur ukrainischen Musik geführt hat, weiß das Presse-Info. Live läßt sich das Trio durch die Rhythmusgruppe von „Wedding Present“ unterstützen.
Die Rezeptur ist denkbar einfach: Akkordeon, Mandoline und Violine bilden den traditionellen Rahmen; die großteils selbstgeschriebenen Melodien orientieren sich meist an populären Mustern: Manches Thema beginnt da gemessen-verschleppt und wird in zwei, drei Minuten zu brachialem Uptempo gedroschen — Kalinka für Punks.
Die Grundinstrumente bleiben auf die Begleitung beschränkt; das auf kurze, knappe Stücke mit griffigem Chorus angelegte Konzept erlaubt keine solistischen Ausflüge.
Die authentische Reminiszenz: Gesungen wird ausschließlich russisch. Die Wirkung ist eher fade. Was sich gerade aus dem Klezmer alles herauszaubern läßt, ist noch nicht mal zu ahnen. Eine einzelne, traditionell gehaltene Ballade unterbricht zwischendurch die stete Wiederholung immergleicher Elemente, und so bleibt das ganze eine halbe Stunde mäßig interessant.
Die Band selbst scheint zu wissen, daß ihr Programm eine viel längere Strecke nicht durchhalten würde: Nach 45 Minuten verabschieden sich die sympathischen Boys zur Zugabe, nach einer Stunde ist Schluß.
Nichts Neues also und wohl auch nichts Dauerhaftes. Die russische Volksmusik paßt bekanntlich als Deckel auf jeden Topf, und John Peels „Ukrainians“ sind nur ein kleiner Szene-Kick. Rainer Köster
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