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Günstiger als jede Bank

Rawalpindi (dpa) — Hundi-Trade heißt die orientalische Alternative zur Banküberweisung. Seit Jahrhunderten erprobt, konspirativ und oft in Familienhand, blitzschnell und absolut zuverlässig ist das System, das Banken zur Verzweiflung bringt. An jedem Tag setzen Hundi-Händler, Hundi- Wallahs, Millionen um. Mindestens.

Über Verbindungen kommt ein Pakistani an den Persischen Golf, verdient nun harte Dirhams oder Rials und hält damit sich und die Familie zu Hause über Wasser. Doch wie das Geld vom Golf nach Hause schicken? Per Banküberweisung? Seine Erfahrungen waren niederschmetternd: Erst kam das Geld nicht. Als seine Frau dann nachfragte, bot ihr der Bankdirektor zwar eine gemeinsame Nacht, nicht aber das Auszahlungsformular an. Als ein Bruder schließlich intervenierte, kassierte die Bank 20 Prozent Vermittlungsgebühr.

Seither überweist er nur noch per Hundi. Hundi heißt soviel wie Wechsel. Gemeint ist damit der Bankwechsel wie auch das Tauschgeschäft. Hundi-Händler sitzen überall, wo es auf dieser Welt Afghanen und Pakistaner gibt. Ihr Gewerbe ist wenig aufwendig, aber hoch effektiv. Für Hundi-Transaktionen werden eigentlich nur ein Telefon, Freunde und Verbindungen gebraucht. Jeder Hundi-Wallah am Golf hat seinen Kontaktmann in Pakistan. Ein Anruf genügt, und der zahlt jeden Betrag in Pakistan-Währung an die Verwandtschaft des Gastarbeiters aus. Doch nicht nur das. Der Hundi-Wallah zahlt auch Zinsen und Provisionen. Denn er weiß, daß er gegen ein weltweites Bankensystem antritt, in dem Milliarden verdient werden. Im Windschatten üblicher Bankgeschäfte kassiert er dann Bruchteile dessen, was die Bank genommen hätte. Er und der Kunde haben den Nutzen davon. Die Transaktion geht schnell, innerhalb von Minuten, wenn es sein muß. Noch am gleichen Tag kann der Kunde telefonisch abfragen, ob das Geld auch angekommen ist.

Hundi-Trade ist global und läuft in beide Richtungen: Ein Kunde will harte und ehrlich verdiente Dirhams sicher nach Pakistan schaffen. Dort will zum Beispiel ein Drogenschmuggler illegal erworbene Rupien waschen oder jemand Steuern hinterziehen. Hundi-Wallahs bringen beide Seiten zusammen. Der Hundi-Wallah in Pakistan zahlt die Überweisung des Kunden aus dem Schwarzgeldtopf an dessen Familie aus, sein Kollege am Golf zahlt im Gegenzug des Kunden Dirhams auf ein legales Konto ein, zugunsten des Drogenhändlers oder Steuerhinterziehers. Stammes- oder Familienbande garantieren Bonität, Vertrauen und eine völlig geräuschlose Abwicklung.

Das System ist Jahrhunderte alt. Früher gab man Vertrauten kleine Zettel- oder Stoffetzen mit, deren Gegenstück dem Empfänger signalisierte, daß er es mit dem richtigen Partner zu tun hatte. Verlor einer der beiden seinen Fetzen, war das Geschäft geplatzt. Heutzutage senden Hundi-Wallahs verschlüsselte Botschaften per Telefax an Transaktionspartner in alle Welt. Das System läßt nicht nur Banken jammern, sondern auch Finanzämter. Denn es unterläuft Steuergesetze und Devisenkontingentierungen.

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