Blaß wie der blasse Eberhard

■ RTLplus startete sein Frühstücksfernsehen „Guten Morgen Deutschland“

Berlin (taz) — Früher war es der beste Platz unter der Kanzel. Heute ist es das Recht auf die Erstmoderation in der Premierensendung. Eberhard Diepgen (CDU), Berlins gräulicher Metropolenfilialleiter, durfte gestern als „Komoderator“ und einmaliger Chefredakteur das Frühstücksfernsehen von RTLplus einführen. Der nahm die frühaufklärerische Aufgabe ganz wörtlich und schmierte den Profikollegen erst mal pfundweise Marmelade ums Maul: „Ich bewundere Sie.“ Und Wolfram Kons, Sybille Künstler und Wiebke Hunn gaben zwischen den Nachrichten- und Werbeblöcken gern zurück — hauptsächlich Stichworte für die selbstgefällige Darstellung der Politik der CDU-SPD-Koalition.

Anläßlich eines Berichts über Nierenkrebs aus dem sächsischen Trinkwasser konnte Diepgen die Ex- DDR wieder mal als Umwelthölle denunzieren („Gott sei Dank ist das in Berlin anders“). Zur schlechten Stimmung in der eigenen Gemeide meinte er, daß sich Berlin rasch zur „blühenden Metropole“ entwickeln werde, wenn sich die Arbeitslosen um neue Jobs „aktiv selbst bemühen“ würden und die Wirtschaft die „Inselmentalität“ schnell überwinde. Auch die katastrophale Verkehrspolitik des Senats brachte Diepgen als Jubelmeldung rüber: Man müsse den Verkehr nur „flüssig gestalten und ins Umland abfließen lassen“. Zur pannenreichen Olympiabewerbung wies er auf die vier Hallenneubauten hin, „die wir im Rohr haben“ — reine Ablenkung von den vielen Personalquerelen. Und als wäre dies der Worthülsen noch nicht genug, erfand der Regierende Bürgermeister gleich noch eine neue Form der „Einheit“, nämlich die „Einheit von Hauptstadtboom und Olympiaboom“. Amen.

Begonnen hatte die Sendung um 6 Uhr 30 mit einer Scheinwerferfinsternis: Die Schlagzeilen mußten im Dunkeln verlesen werden. Dann gleich der klassische Versprecher: Atom- statt Autobombe in Belfast. Die leicht abgestandene Wochenend-Nachrichtenlage hatten die RTLer mit einer Nullmeldung über die anrollenden Weihnachtsheimkehrer gekrönt. Doch da, wo Stau sein sollte, war keiner, und so mußte der Reporter Dramatik schaffen, indem er auf dem Mittelstreifen stehend ins Mikro brüllte. Ansonsten wurden der Ätna-Ausbruch und die Sturmflut in Texas ausgewalzt: „Naturkatastrophen halten uns in Atem.“ Breiten Raum bekam selbstverständlich auch ein von RTL und Daimler- Benz veranstaltetes Fußballturnier für wohltätige Zwecke.

Das meiste Gold in der Morgenstund' hatte natürlich Ehrengast Diepgen im Mund. Mit dem „Ostexperten“ Lothar Rühl schwätzend, warnte er vor der „Fluchtwelle“ russischer Intellektueller, die schon immer „nach Westen orientiert“ gewesen seien. Na hoffentlich kommen die auch. Berlin kann sie augenscheinlich gut gebrauchen. kotte