: Bush verführt japanische Kinder
Mit dem Besuch in einem US-Supermarkt für Spielzeug hat US- Präsident George Bush zum Beginn seines Japan-Aufenthalts versucht, für „made in USA“ in Japan zu werben.
Unter dem zu Ehren des US-Präsidenten aufgezogenen Sternenbanner stecken zwei leere Coca-Cola-Becher im dekorativen Pappmaché. Daneben prangt in bunten Buchstaben das neue US-amerikanische Kulturversprechen an Japan: „Toys – 'R‘ Us“. Nördlich von Tokio, in der trostlosen Vorstadt von Amimachi, hat die größte Supermarktkette der Welt für Spielsachen vor wenigen Tagen ihr erstes japanisches Quartier bezogen.
Seit dem 20. Dezember fanden sich hier täglich 18.000 spielverliebte Japaner ein, um von der bislang unbekannten, importierten Amüsierwelt aus den USA zu schnuppern. Doch gestern nun zeigte sich George Bush höchstpersönlich bereit, die Japaner zum Einzug in die Spielzeugherrlichkeit von „Toys – 'R‘ Us“ aus New Jersey einzuladen.
Kaum nämlich hatte der US-Präsident am Dienstag das wichtigste Ziel seiner Asien-Reise — Japan — erreicht, da machte er sich auf den Weg zur Eröffnung des zweiten Spielzeugsupermarkts von „Toys – 'R‘ Us“, in Kashihara bei Kioto. Dort hielt er auch seine erste Rede in Japan: „Was wir wollen“, wandte sich George Bush vor dem Dekor des Spielzeugladens an alle japanischen Kinder und ihre Eltern, „ist eine langfristige Verbesserung im Leben der japanischen Verbraucher.“ Das war fast im Ton eines Familienvaters gesprochen. Doch die wenigsten Japaner nahmen es übel. Denn sie wissen, daß der amerikanische Präsident damit nicht nur Worte spuckt, sondern von ihrem schwerverdienten Geld redet. Der Andrang im „Toys – 'R‘ Us“-Laden von Amimachi bei Tokio spricht für sich allein. Alle, die hierher gekommen sind, wissen scheinbar warum. „Es sind die gleichen Sachen, wie anderswo auch“, erklärt eine junge Frau mit ihrem Baby im Arm, „aber sie sind billiger, und die Auswahl ist größer. Sehen Sie nur die Windeln: Da spare ich pro Paket 500 Yen (ca. 6,50 DM, d. R.).“ Die energische Mutter wünscht sich deshalb noch mehr große Supermärkte in ihrer Gegend.
Nun ist es etwa zwei Jahre her, daß die Vereinigten Staaten diesen Wunsch zum Gegenstand ihrer Gespräche über strukturelle Handelshemmnisse mit Japan machten (Structural-Impediments-Initiative, SII). Washington wollte damit den eigenen Vertiebsketten wie „Toys – 'R‘ Us“ den Weg auf den japanischen Markt öffnen. Gegen dieses Vorhaben stand freilich in Japan eine bislang mächtige Koalition zusammen: Kleine Ladenbesitzer, Zwischenhändler, lokale Politiker und auch manche große Unternehmensgruppe unterstützen ein Vertriebssystem über kleine Familienläden, das den Verkäufern hohe Preise sichert und natürlich auch viele Dorfstrukturen und Arbeitsplätze bewahrt.
„Wenn die kleinen Läden sich mehr Mühe geben würden“, sagt dagegen ein müder Vater in Amimachi, der die Kletterübungen seiner kleinen Tochter im Spielzeugladen überwacht, „dann wäre auch „Toys — 'R‘ Us“ keine große Konkurrenz für sie.“ Er begrüßt deshalb auch den Einsatz von George Bush. „Japan ist doch ein freier Markt“, sagt der Vater, als habe er die Worte des US-Präsidenten, die der am gleichen Tag in Kashihara wählt, schon vorher gekannt. George Bush ließ es sich nämlich nicht nehmen, die Eröffnung der Spielzeugläden als Erfolg seiner Japan-Politik zu feiern. „Beide Partner müssen erkennen“, betonte Bush wohl nicht zum letzten Mal während seines Japan-Aufenthalts, „daß sie von freiem Handel und offenen Märkten nur profitieren können.“
Weil aber der Spielzeugmarkt in Amimachi für sich genommen tatsächlich als ein kleiner offener Markt gelten kann, zeigt er ironischerweise auch die Widersprüchlichkeit der Bush-Mission in Japan. Offensichtlich hat sich George Bush, der auch versuchen will, den Japanern mehr amerikanische Autos aufzuschwatzen, in Kashihara keine Zeit genommen, die angebotene Spielzeugware genauer zu untersuchen. Er hätte dann nämlich festgestellt, daß sich unter den Tausenden von Spielzeugautos kaum US-amerikanische Modelle befinden. Gerade mal eine kleine Corvette und ein altes Pontiac- Modell von 1965 lassen sich aufspüren. Doch von den Hondas und Toyotas zum Spielen gibt es jedwede Ausführung. Da scheint es also, als wüßten auch die Kids in Japan besser als George Bush, wer auf dem Automarkt die gängige Ware herstellt.
Auch sonst gibt's beim Spielzeugverkauf keine Probleme. Selbst die Garfield-Malbücher mit englischen Untertiteln sind so international, daß sie bei „Toys – 'R‘ Us“ in Amimachi wie warme Semmeln weggehen. Nicht nur George Bush ist darauf offensichtlich stolz. „In dem turnhallenähnlichen Gebäude“, hatte die 'New York Times‘ den Siegeszug von „Toys – 'R‘ Us“ in Japan beklatscht, „sind die Gänge zwischen den Barbiepuppen und Batteriemotoren so groß wie manche japanische Anliegerstraßen.“ Erstaunlich immerhin, auf welchen Feldern heute der US-Patriotismus in Japan gedeiht — zwischen Barbiepuppen!
Chikako Yamamoto/Georg Blume
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