: Marineeinheiten verweigern Dienst
■ Militärrat der Schwarzmeerflotte fordert Offiziere und Soldaten auf, den Eid zu verweigern/ Offiziere der ehemaligen Sowjetarmee wollen „Empfehlungen“ an politische Führer der GUS beraten
Moskau/Brüssel (afp/dpa/ap)—
Auf wen oder was sollen sie nun schwören, die Soldaten der ehemaligen sowjetischen Armee? Im Streit zwischen den einzelnen Republiken um den militärischen Nachlaß der einstigen Supermacht werden immer härtere Töne angeschlagen. Nachdem die Ukraine ihrer im Aufbau befindlichen Streitmacht kurzerhand die gesamte Schwarzmeerflotte zu geschlagen hatte, hat deren Militärrat seine Offiziere und Soldaten am Montag aufgefordert, den von der Ukraine geforderten Gefolgschaftseid zu verweigern.
Dies meldete das zentrale Fernsehen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), während die russischen Nachrichtenagenturen den Aufruf mit keinem Wort erwähnten. Der Sender berichtete weiter, Truppen hätten sich am Montag „unter russischen Fahnen“ am Stützpunkt der Flotte in Sewastopol versammelt, um die „Übergabe der Flotte an die Ukraine“ zu verhindern. Die Nachrichtenagentur Interfax meldete gestern, 100 Militäreinheiten, die zur ukrainischen Nationalgarde einberufen worden seien und sich geweigert hatten, den Eid auf die Ukraine zu leisten, seien nach Rußland geschickt worden.
Mehrere hundert Offiziere der ehemaligen Sowjetarmee wollen sich am 14. Januar im Moskauer Kreml zu Beratungen treffen. Auf der Tagung sollen „Empfehlungen“ an die politischen Führer der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) ausgesprochen werden, damit diese „richtige Entscheidungen“ treffen, kündigte am Montag abend der für Personalfragen in der Armee zuständige Kommandant Michail Stolijarow im Fernsehen an. Laut ‘Tass‘ werden die GUS-Chefs zu dem Treffen eingeladen.
Während man sich in Moskau über die Zukunft der Militärs den Kopf zerbricht, sollen in Washington in den nächsten Tagen die Vorbereitungen für die von den USA angeregte Konferenz zur Koordinierung der internationalen Nothilfe für die GUS beginnen. Die Konferenz ist für den 22. Januar angesetzt; inzwischen hat auch Frankreich seine Teilnahme zugesagt. Noch vor kurzem hatte Staatspräsident Mitterrand die Konferenz als überflüssig bezeichnet, da über 80 Prozent der internationalen Hilfe, die seit Herbst für die ehemalige Sowjetunion geleistet wurde, ohnehin aus der EG kamen.
Weil er sich vom KGB die Akte Jelzin hat kommen lassen, ermittelt nach Berichten der russischen Tageszeitung 'Rabotschaja Tribuna‘ die russische Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow. Die mit handschriftlichen Anmerkungen Gorbatschows versehenen Akten wurden diesen Angaben zufolge im Safe seines Stabschefs Waleri Boldin gefunden.
Ein Sprecher der Strafverfolgungsbehörde erklärte, Gorbatschows Notizen auf höchst geheimen Papieren seien ein Gesetzesverstoß. Nach Zeitungsmeldungen hat der sowjetische Präsident das Observationsmaterial über den russischen Präsidenten Jelzin und andere Politiker der Demokratischen Bewegung offenbar nicht genutzt.
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