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Modrow schweigt zur Wahlfälschung

■ Im Dresdner Wahlfälschungsprozeß verweigert der Ex-Parteibezirkschef die Aussage

Dresden (ap/dpa/taz) — Der frühere Dresdner SED-Bezirkschef und heutige PDS-Bundestagsabgeordnete Hans Modrow will im Dresdner Wahlfälschungsprozeß nicht aussagen. Das erklärte Modrow gestern vor dem Bezirksgericht im Verfahren gegen den ehemaligen Dresdner Bürgermeister Wolfgang Berghofer. Er nehme das Recht auf Schweigen in Anspruch und „werde hier keine Aussage tätigen“, erklärte er. Modrow begründete dies damit, daß gegen ihn selbst wegen Verdachts auf Wahlfälschung ermittelt werde.

Modrow war geladen worden, um im Prozeß gegen Berghofer und den 1. Sekretär der SED-Stadtleitung, Werner Moke, die Verantwortlichkeit für die Fälschungen der Kommunalwahlen im Mai 1989 zu klären. Der 63jährige frühere SED-Bezirkschef machte zunächst nur Angaben zu seiner Person und seiner früheren Funktion.

Er betonte, er sei in Dresden dem DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker unterstellt gewesen. Die Verfassung der DDR habe der „Partei der Arbeiterklasse“ die führende Rolle in der DDR zugeschrieben, und die SED habe diese Rolle „selbstverständlich“ wahrgenommen: „Sonst wäre das Verfassungsrecht nicht verwirklicht worden.“

Zuvor hatte die frühere Leiterin des Dresdner Wahlbüros, Irma Foit, bestätigt, daß die Wahlergebnisse der DDR-Kommunalwahl im Mai 1989 in mehreren Etappen verfälscht wurden. Sie erklärte aber, der heutige Hauptangeklagte Berghofer, der mitangeklagte ehemalige 1. Sekretär der SED-Stadtleitung, Werner Moke, sowie die fünf Stadtbezirksbürgermeister hätten sich im Vorfeld der Wahl darum bemüht, ein „reales Ergebnis“ der Kommunalwahl zu erhalten.

In der letzten Woche vor der Wahl habe Berghofer dann in ihrer Anwesenheit zwei Telefongespräche mit der SED-Parteiführung geführt: einmal mit SED-Bezirkschef Hans Modrow, ein anderes Mal mit dem Büro von Egon Krenz, der als Vorsitzender der damaligen DDR-Wahlkommission für den korrekten Ablauf der Wahlen verantwortlich gewesen sei. Nach den Worten der Zeugin sei Berghofer am 6. Mai — als die Ergebnisse der sogenannten Sonderwahllokale ausgezählt wurden, die bereits mehrere Wochen vor der eigentlichen Kommunalwahl geöffnet waren — „sehr aufgeregt“ zu ihr gekommen: Die bereits an das Bezirkswahlbüro weitergeleiteten Ergebnisse sollten korrigiert werden. Darauf seien aus den Stadtbezirken neue, veränderte Ergebnisse gemeldet worden. Dabei sei der Zahl der Gegenstimmen von früher etwa zehn Prozent auf rund zwei Prozent gesenkt worden. Am Wahlsonntag selbst wurden bereits aus den Stadtbezirken manipulierte Ergebnisse durchgegeben. Alle Wahlunterlagen seien nach der Wahl vernichtet worden.

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