: Mercedes kapert weiteren Lkw-Bauer Kolonialisierung der CSFR-Industrie?
■ Stuttgarter Autohersteller will morgen mit dem CSFR-Lastwagenbauer Liaz einen Kooperationsvertrag schließen
Prag/Stuttgart (dpa/ap/taz) — Nach dem geplanten Einstieg beim tschechischen Lkw-Hersteller Avia will Mercedes-Benz sich nun auch den nordböhmischen Lastwagenproduzenten Liaz unter den Nagel reißen. Morgen wollen die Stuttgarter Autobauer eine Absichtserklärung in Jablonez unterzeichnen, die eine enge Kooperation mit der CSFR- Staatsfirma vorsieht. Liaz ist einer der führenden Hersteller von Schwerlastwagen im früheren Ostblock und produziert jährlich rund 10.000 schwere Zehn-Tonnen-Lastwagen.
Bereits am vergangenen Montag hatte Mercedes eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit mit dem Nutzfahrzeughersteller Avia geschlossen. Die Stuttgarter hätten Liaz ein Konzept vorgelegt, wonach Mercedes, Avia und Liaz in einem Produktionsbündnis zusammengeschweißt werden sollen, berichtete gestern die Prager Landwirtschaftszeitung 'Zemedelsky noviny‘.
Der Einstieg deutscher Unternehmen bei den CSFR-Marktführern stößt inzwischen zunehmend auf Kritik bei den tschechoslowakischen Medien und in der Öffentlichkeit. In einem Kommentar des staatlichen Fernsehens wurde bereits von einer „Kolonialisierung der Tschechoslowakei“ durch Deutschland gesprochen. Bereits im vergangenen Jahr gewann Volkswagen gegen Renault das Rennen um den einzigen konkurrenzfähigen osteuropäischen Autohersteller Skoda. Siemens sicherte sich scheibchenweise den Rest des Mischkonzerns Skoda-Plzen mit den durchaus lukrativen Sparten Energie und Verkehrstechnik. Unternehmensleitungen und Belegschaftsvertreter hatten sich bei beiden Übernahmen für die deutschen Firmen ausgesprochen.
Grund für die Ressentiments gegenüber den deutschen Investoren liefern auch Berichte, wonach Mercedes-Benz harte Bedingungen für seine Zusammenarbeit mit Avia gestellt habe. Danach fordern die Stuttgarter eine Erhöhung des Einfuhrzolls für Nutzfahrzeuge auf 40 Prozent, um so eine Monopolstellung auf dem CSFR-Markt zu erhalten. Zudem verlangen sie eine Zollbefreiung für ihre Lieferungen in das Nachbarland. Weiter sollen Steuererleichterungen und zinsfreie Kredite für die Sanierung von Avia sowie Exportzuschüsse für Mercedes-Produkte zur Verfügung gestellt werden.
Der tschechische Industrieminister Jan Vrba bezeichnete diese Bedingungen als „vollkommen unannehmbar“, erklärte aber, man würde so lange verhandeln, bis ein gemeinsamer Nenner gefunden werde.
Zu der massiven Kritik erklärte ein Mercedes-Sprecher, man sei „sehr gelassen“. Mercedes-Benz habe ein Positionspapier vorgelegt; es gebe keinen Grund, das Kooperationsvorhaben in Frage zu stellen. „Wir haben natürlich Wünsche an die Regierung der CSFR“, so der Sprecher weiter, das Ganze sei schließlich ein ehrgeiziges Vorhaben.
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