: Konsumartikel statt Investitionsgüter
Mit dem seit einem Jahr laufenden Strukturanpassungsprogramm tut sich Simbabwe noch schwer ■ Aus Harare Willi Germund
Terence Hardy nimmt kein Blatt vor den Mund: „Statt Geld für Rohstoffe bereitzustellen, hat die Regierung Devisen für den Import von Konsumartikeln verteilt. Das Geld ging vor allem an die Verwandtschaft und Kumpel von Regierungsmitgliedern und Beamten.“ Der 67jährige Hardy, Chef der Mashonaland Holdings in Simbabwe, scheint nichts von seiner Energie eingebüßt zu haben. Sein fast unerschöpflicher Vorrat abenteuerlicher Erzählungen stammt aus dem Dschungel der staatlichen Bürokratie. „Die Regierung muß bei der Bewilligung von Devisen stärker die Privatwirtschaft einschalten“, wettert Hardy.
Seit einem Jahr läuft in dem afrikanischen Staat ein auf fünf Jahre geplantes Strukturanpassungsprogramm, mit dessen Hilfe die Wirtschaft des afrikanischen Landes nach den Vorstellungen der Weltbank und des Internationalen Weltwährungsfonds liberalisiert werden soll. Damit soll das chronische Budgetdefizit auf fünf Prozent des Bruttosozialprodukts gedrückt werden. Rund 800.000 US-Dollar hatte das Haushaltsloch im Vorjahr betragen.
Mit dem Wirtschaftsreformprogramm wurde „OGIL“ zum magischen Begriff Simbabwes. Hinter der Abkürzung versteckt sich die Liste der Importgüter, für die Simbabwes Regierung Devisen herausrückt. Um die Unterversorgung zu beheben, wurden für 164 Industrie- und Fertigwaren die Importbeschränkungen aufgehoben. Terence Hardy steht mit seiner Produktpalette von Ziegelsteinen, Elektropumpen, Elektrosicherungen, Stoßdämpfern und Bügeleisen nicht auf dieser Liste. Im Gegenteil: Ihm wurde im Laufe des Jahres zweimal die Devisenzuteilung um jeweils 22,5 Prozent gekürzt. Einem deutschen Unternehmen bewilligten Simbabwes Bürokraten zwar die Mittel für die wichtigsten Rohstoffe, benötigte Nebenprodukte aber konnte der Betrieb nicht einführen. Das Ergebnis: Die Betriebsleitung muß sich auf einen Produktionstopp einstellen.
700 Millionen Zimbabwe-Dollar (rund 233 Millionen Mark), 50 Prozent mehr als ursprünglich geplant, bewilligte die Regierung von Robert Mugabe als erste Tranche im neuen Wirtschaftsprogramm. Die Metallindustrie erhält sieben Prozent der Exporterlöse ausbezahlt. Für den restlichen Bedarf muß ein Antrag bei der Regierung gestellt werden. Während früher die Betriebe nach ihrem Rohstoffbedarf bedient wurden, hängen sie jetzt von den Waren ab, die mit Hilfe der „OGIL“ eingeführt werden. Auf der Einkaufsliste standen bisher weniger Rohstoffe und Investitionsgüter, sondern Autos, Zement und elektronische Artikel.
Die Wirtschaftslage hat sich dadurch kaum gebessert: Die Arbeitslosigkeit nahm nicht ab, und investiert wird in Simbabwes Wirtschaft ebenfalls kaum. Dafür ist die Inflationsrate von offiziell 13,3 Prozent im vergangenen Jahr auf 25 Prozent gestiegen. Die unerwartet starke Importsteigerung drückte auf die Zahlungsbilanz des Landes; die Regierung mußte deshalb die Zölle erhöhen. Auch die geplante Privatisierung einiger Staatsunternehmen ist durch die fehlenden Gesetzesänderungen noch im Rückstand, mußte Präsident Mugabe vor Weihnachtem dem Parlament eingestehen. Dennoch, so Mugabe, seien Erfolge erzielt worden: Die Exporte stiegen um 15 Prozent; der Verarbeitungssektor sei um fünf Prozent gewachsen.
Doch das afrikanische Land muß möglicherweise erstmals nach Jahren sogar wieder gelben Mais einführen. Wegen den Weltbankvorgaben sollen die mit Verlust arbeitenden Maisaufkaufzentren im Land geschlossen werden. Dort wird aber vorwiegend das Getreide der Kleinbauern umgeschlagen. Im Falle der Schließung werden die Kleinbauern nur noch für den Eigenbedarf produzieren. Allerdings erhöhte die Regierung den Erzeugerpreis lediglich um 14 Prozent, während der Endabnehmerpreis um 30 Prozent anzog.
Dennoch verteidigen Experten das staatliche Strukturanpassungsprogramm. Selbst Terence Hardy ist sich sicher: „Wir brauchen das Programm, um später gegen die Konkurrenz aus Südafrika bestehen zu können. Wir haben die Vorausetzungen, denn unsere Arbeitskräfte sind besser ausgebildet und produktiver als etwa in Südafrika.“
Doch vorläufig hapert es nicht nur in der Umsetzung; die Regierung hadert auch mit den internationalen Kreditgebern. Rund 700 Millionen US-Dollar wurden Harares Finanzminister Chidzero versprochen. Erst nachdem der IWF attestiert hatte, daß die wirtschaftspolitischen Voraussetzungen erfüllt seien, steht der Bewilligung von 400 Millionen Dollar nichts mehr im Wege.
Das Strukturanpassungsprogramm wird Simbabwes Wirtschaft mittelfristig nicht nur für Importe öffnen, sondern das Land auch mit der internationalen Konkurrenz konfrontieren. Eine Perspektive, die so manchem Manager nicht behagt. „Viele Unternehmer raten Kollegen ab, die aus dem Ausland nachfragen“, erklärt Jonathan Moyo, Politologe an der Universität von Simbabwe. Terence Hardy will nach eigenen Angaben nicht dazugehören: „Ich empfehle den Leuten zu investieren. Aber ich mache ihnen auch klar, welche Schwierigkeiten sich auftürmen.“
Ein Büro für Investitionen, ursprünglich konzipiert, um interessierten ausländischen Investoren den Gang durch die Institutionen zu erleichtern, ist angeblich mittlerweile in den üblichen bürokratischen Dornröschenschlaf verfallen. Doch hält auch Simbabwes Gesetzgebung noch manchen Ausländer ab. So hängt das Investitionsschutzabkommen mit Bonn immer noch in der Schwebe. Die nach wie vor strittigen Punkte: Zugang der ausländischen Investoren zum nationalen Kreditmarkt und die Retransferierung von investiertem Kapital. Vor allem der letzte Punkt stellt ein schwieriges Kapitel dar. Die Furcht der Regierung in Harare: Wenn den Deutschen erlaubt würde, ihr Geld wieder nach Hause zu überweisen, könnten viele weiße Simbabwer, die noch zu Zeiten des britischen Kolonialreiches in das Land kamen, Gleichbehandlung verlangen.
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