piwik no script img

Kalter Kaffeetrinker

■ Spieler und Fans der Preussen verzweifelten beim 3:4 an Rosenheims torhütendem Christ Karl Friesen

Charlottenburg. Craig Sarner, Coach des BSC Preussen, versuchte es zur Abwechslung mit einem Querschläger in die Welt des Fußballs. Fast wie einst Sepp Herberger, die verbale Nullösung mit Hang zu intellektuellen Flachpässen, so dachte der Preussen-Ami nach dem Dienstagsspiel gegen den Krefelder EV nur an eines: das nächste Match, im Falle des BSC das Freitagsmeeting mit dem SB Rosenheim: »Da müssen wir 60 Minuten lang Eishockey spielen — und nicht nur 40 wie gegen den KEV!«, denn der Sportbund aus dem obersten Bayern, das weiß »Mister Eishockey« Craig Sarner, verzeiht nie — und schon gar keine Durchhänger auf dem frostigen Parkett!

Die Rosenheimer, das sind halt die Guten in Grün, die Numero zwo in der Republik und Angstgegner der Berliner.

Um es vorwegzunehmen: Der BSC spielte eine Stunde lang erstklassiges Hockey, fegte über das Eis wie schon seit Wochen nicht mehr — und dennoch mußte Craig Sarner nach der Begegnung der allseits bekannten Art den Rosenheim-Blues anstimmen: »Wir haben uns heute selbst geschlagen«, meinte er traurig.

3:4 verloren! Dabei führten die Hausherren in der Jafféstraße nach dem zweiten Drittel noch mit 2:1 Toren, nachdem der Kanadier Gaeton Malo, bei einem Gegentreffer seines Landsmannes Gordon Sherven, gepunktet hatte. Aber im letzten Abschnitt drehte der Tabellenzweite der Bundesliga den Spieß noch einmal um. Zu Beginn sah es durchaus nach einer gründlichen Aufarbeitung des Rosenheim-Komplexes aus. Chancen waren Dutzendware — wäre nicht die Nummer 27 im Torkäfig der Gäste gewesen, Karl Friesen, der 33jährige Zauberer aus den Alpen.

Die Berliner Eissporthalle hat in dieser Saison schon manchen Klasse- Keeper erlebt, doch was Friesen bot, ließ die Fans der Preussen beinahe kollektiv in das Geländer ihrer Stehbox beißen.

Da rast beispielsweise BSC-Stürmer Tom O'Regan völlig frei auf das Rosenheimer Tor zu und hat den Puck eigentlich schon todsicher eingelocht — da zuckt der Friesen-Karl mit seinem überdimensionalen Handschuh und schüttelt in aller Seelenruhe tatsächlich das Spielobjekt hervor. Mit ähnlichen Möglichkeiten verzweifelte die gesamte Spree- Mannschaft auf Kufen an dem Mann mit der Nummer 27. Lediglich von »dummen« Pucks ließ er sich bezwingen, die den Berlinern vor dem Rosenheimer Kasten vor die Schlittschuhe rutschten.

»Ich bleibe immer ruhig«, verrät Karl Friesen sein Erfolgsrezept, das den Gastgebern derart auf die Nerven ging. Friesen gehört zur Glaubensgemeinschaft der Mennoniten, die Lebensmittel wie Alkohol oder Nikotin strikt ablehnt. Zwei läppische Strafminuten hat der friedfertige Laienprediger in seiner Karriere erst kassieren müssen. Als Messias für die Preussen-Fanclubs taugt er aber nicht. Am späten Freitag abend stürzte er sie mit seiner Kühlheit geradezu in ein Alk-Koma. Dabei trinkt Karl der Große tagtäglich seine zehn, zwölf Tassen Kaffee. Jürgen Schulz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen